Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Lorenz Oken (Hrsg.): Isis


ISIS

oder
Encyclopädische Zeitung.
I. 9. 1817.


Ueber das Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach.

Während in den meisten Provinzen des schönen und gebildeten Deutschlands sich die Völker mit ihren Fürsten und Regierungen um eine Verfassung balgen, und beide immer ungestümmer werden, bis hervorgeht, wovon die Geschichte schon so viele vergebliche Beispiele geliefert hat, und dessen Ausgang aus dem Gemeinplatz, der Einzelne geht nothwendig im Kampfe gegen das Ganze zu Grund, wie der Tropfen im Meer: leicht vorauszusagen ist; während jenes tapfere Volk unter dem faulen Vorwand, „eine Staatsverfassung machte sich nicht über Nacht“ (da doch nicht von einer Staatsverfassung, sondern nur von einem Grundgesetz, von einer Charta constitutionis die Rede ist, welche sich allerdings über Nacht machen läßt, wenn man nur nicht den Wahn hat, daß ein solches Nachtgeschäft sogleich vollkommen und zur rechtskräftigen Promulgation reif sey, an welchem Hochmuth noch alle Regierungen krank sind) hingehalten wird, daß es anfängt, sich in fragen, wofür haben wir uns denn zwei Jahre lang todtschlagen lassen? für den versprochenen Rechtszustand Aller, oder für den Willen Eines?; während jener gratuite Fürst die Zöpfe organisiert, die Soldaten verhungern läßt, die Stände schmählich heimjagt, und mit einem Provinzialkönig den deutschen Bundestag für eine Fremde Macht, sogar wider die Beitrittsacte erklärt; während man einem ander Provincialkönigreich ein Schattenspiel von [66] Ständen an den Wänden vormacht; man im dritten die Volksluft zum Zerspringen zusammenpreßt; während man in andern Provinzen thut, als verstände man nicht, was die Zeit und das Volk redet, obschon Frankreichs Wuthgeschrei noch in aller Ohren gellt; während man in einigen andern Provinzen langsamlich Verfassungen ankündiget; während all diesem elenden Kampf gegen die Menschen- und Bürgerrechte, erhalten Niederland, Nassau, Tyrol, Salzburg eine Verfassung, Weimar ein Grundgesetz der Landständischen Verfassung – nicht schon die Verfassung selbst, die allein sich nicht über Nacht zimmern läßt.

Hier war das Grundgesetz nicht gegeben in Folge eines Kampfes mit dem Volk, nicht aus Feigheit oder Zwang, sondern aus reinem Entschluß des Fürsten, und aus ehrlicher Mitwirkung der Regierung. Darum hat es zwar weniger lebhafte Theilnahme der Staatsbürger hervorgebracht, aber destomehr ruhiges Vertrauen auf die Achtung der Rechte, die jeder als Mensch und als Bürger zu fordern hat. Jede Regierung braucht nichts als Vertrauen, um edel, um ihrer Bestimmung gemäß handeln, und um alles ausführen zu können, wozu eine gehaßte oder gar verachtete peitschen muß.

Wir sagen: nur ein Grundgesetz der Verfassung, ja nur ein Grundgesetz der landständischen Verfassung haben wir, nicht die


Empfohlene Zitierweise:
Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 65–66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_33.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2018)