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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis


ISIS

oder
Encyclopädische Zeitung.
I. 4. 1817.


Ueber den Bau der Athemorgane in Thieren, welche eine mittlere Stelle zwischen der Klasse der Fische und Würmer einzunehmen scheinen, und in zwei Genera der letzten Klasse. Von Herrn Eberhard Home, Bart. V. P. R. S. Gelesen im Juny 1815 (abgedruckt in Philosoph. Transact. for 1815 Part. II. p. 256 mit 3 Kupfertafeln, die hier auf eine gebracht sind, die Abbild. nur 1/3 kleiner).[L 1]

Alle Thatsachen in der vergleichenden Anatomie, welche zu unserer Kenntniß gekommen sind, berechtigen zu glauben, daß das große Schema der Thierschöpfung aus einer gleichförmigen Abstuffung der Structuren zusammengesetzt sey, und daß ein vester Grund in einem allgemeinen System einzig dadurch gelegt werden könne, wenn man die verschiedenen Erscheinungen des ähnlichen Organs in verschiedenen Thieren in regelmäßige Reihen zusammenstellt.

In diesem Betracht erhält jedes Geleich, das zu einer Reihe kommt, einen Werth, indem es, so wenig es auch bedeuten mag, die Grundlage, worauf solch ein wichtiges Gebäude errichtet werden soll, vergrößert; und deshalb mag Folgendes der Aufmerksamkeit der Gesellschaft nicht unwerth seyn.

Bei Fischen ist die Art des Athmens mittels Kiemen wohl bekannt, und wahrscheinlich gibt es kein besseres Kennzeichen, wodurch ein Thier zu dieser Klasse gehört, als die Anwesenheit von Kiemen. (So hat man gemeint, und meint es noch, weil man die Stuffe, auf welcher der Fisch steht, weder kennt noch kennen will. Das Wesen des Fischs besteht nicht in solch oder solchem Athemproceß, durch den überhaupt nur niedrere Thiere charakterisirt sind, als ein Eingeweidproceß; sondern darinn, daß im Fisch zuerst ein Rückenmark und ein Fleischleib entsteht, der die Eingeweide umgibt. Insecten, Schnecken, Quallen [26] u. s. w. sind bloß Eingeweide, so zu sagen ohne Leib, indem der ganze Leib Eingeweidverrichtungen ausübt. Im Fisch tritt zuerst Rückenmark auf, und mit ihm Knochen und Fleisch, obgleich beide letzten sehr unvollkommen. Das Wesen des Fischs besteht mithin in dem Mangel eines vollständigen Knochen- und Fleischsystems bei vollständigem Nervensystem. Mit dieser Bedeutung stimmen nun seine andern Organe überein. Der ganze Leib ist fast nichts als Bauchhöhle, Verdauungs-, Wasserorgan, demnach ist auch der Athemproceß bloß fürs Wasser eingerichtet. Allein es ist diese Kiemenathmung dem Fisch weder ausschließlich noch wesentlich. Nicht ausschließlich, weil Sirene lacertina, Olm (Proteus anguinus) und zu gewisser Zeit Molche and Frösche, obgleich Fleischthiere, doch durch Kiemen athmen: nicht wesentlich, weil fast alle Fische Luftblasen haben, die vollkommen in der Bedeutung der Lungen stehen, weil endlich Cobitis vorzugsweis verschluckte Luft athmet, verreckt, wenn man ihm diese raubt, aber nicht, wenn man die Kiemenathmung hindert.[1] Die Kiemen sind mithin nicht das charakteristische Zeichen des Fisches. Dieses setzen wir darein, daß die Fische nicht durch die Naslöcher athmen können, entweder weil die hintern oder

  1. Warum macht H. Dr. Stosch in Berlin seine Beobachtungen über Cobitis nicht bekannt?

Literatur

  1. Everard Home: On the structure of the organs of respiration in animals which appear to hold an intermediate place between those of the class pisces and the class vermes, and in two genera of the last mentioned class. Biodiversity Heritage Library
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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 25–26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_13.jpg&oldid=- (Version vom 8.6.2018)