Seite:Internationale Bibliothek (Müller, New York, 1887-1891) Heft 03 Seite 13.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Krasser: Internationale Bibliothek Heft 3 (1887): Anti-Syllabus

Eh’ vom Baume der Erkenntniss Adam ass in schnöder Lust,

10
Hat die Menschheit von Jehova sicherlich kein Wort gewusst.

Gab es Fürsten da und Priester, waren solche nicht wie jetzt
Von Jehova eigenhändig auserwählt und eingesetzt.
War vielleicht auch gar nicht nöthig – seht euch an den Bienenstaat,
Welcher nebst den Arbeitsbienen immerdar auch Drohnen hat;

15
Seht die menschliche Gesellschaft, wo der eine Karrengaul

Ziehen muss für zwanzig and’re, die zum Karrendienst zu faul;
Denkt der Bürger, denkt der Bauern, die in harter Knechtesfrohn
Millionen steuern müssen für den Glanz von Fürst und Thron.
Denkt dazu der steh’nden Heere müss’gen Volks zu Pferd und Fuss,

20
Die der Mensch zur eig’nen Knechtung nothgedrungen füttern muss.

Denkt des schwarzen Heer’s der Kutten, das zu Gottes Ruhm und Preis
Um erlog’ne Himmelsmanna tauscht der Erde blut’gen Schweiss;
Denkt des Adels, schnöder Wuch’rer und des grossen Kapitals,
Denkt des Weibes und der Kinder und des Hilfepersonals,

25
Die der Eine muss ernähren, weil er eben fleissig ist.

Obendrein, zum Rasendwerden, muss er noch als guter Christ
Mästen eine Schaar von Lumpen, Gaunervolk und Tunichtgut,
Bettler, Schwindler, Vagabunden, Räuber, Mörder, Diebesbrut!
Jedem, der zu faul zur Arbeit, baut der brave Unterthan

30
Kerker-, Armen-, Siechenhäuser, muss sie pflegen höchst human,

Während seines eig’nen Jammers keine Seele sich erbarmt,
Bis er selber wird zum Diebe, weil zum Hungerstod verarmt.

Also lag’s von Olims Zeiten in der menschlichen Natur;
Wenn die Einen dienstbefliessen, die, gequält von Hungersnoth,

35
Emsig spekuliren mussten auf des Thät’gen saures Brod.

Waren solche Lung’rer mächtig, übten sie das Kolbenrecht,
Schwangen sich empor zu Herren und der Fleiss’ge ward zum Knecht!
Waren sie dagegen schwächer, suchten sie mit Hinterlist
Fremde Ernten zu erschleichen, wie das heut’ noch üblich ist;

40
Durch Sophismen aller Arten pflanzten sie mit frecher Stirn

Transzendenten Schwindelhafers tolle Saat ins Menschenhirn,
Lehrend, dass ein wohlgekochter, unverstand’ner Phrasenbrei
Für das Seelenheil der Menschen unumgänglich nöthig sei.

Also theilen sich von jeher in die Last des Regiments

45
Jene beiden Urgewalten ohne himmlischen Assens,

Hierarchen, Potentaten, bar des Gottesgnadenthums,
Herrschten kraft des autonomen, eig’nen Privilegiums!
Wie sie ihres Amts gewaltet vor der Embryonenzeit
Der mosaischen Genese, schwebt in tiefer Dunkelheit.

50
Schlimmer war’s in keinem Falle, als es später offenbar,

Laut der biblischen Geschichte, um die Zeit der „Sündfluth“ war,
Wo des „Himmels Stellvertreter“ ihre Sünden so gehäuft,
Dass sie Gott der Herr im Zorne sammt dem Pöbel hat ersäuft.
Doch Jahrtausend um Jahrtausend ging dahin in raschem Flug,

55
Und noch immer keucht der Bauer darbend hinter seinem Pflug,

Und der Proletar der Städte hungert noch bei allem Fleiss,
Und es hungern Weib und Kinder, die er nicht zu nähren weiss;

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Krasser: Internationale Bibliothek Heft 3 (1887): Anti-Syllabus. New York 1887, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Internationale_Bibliothek_(M%C3%BCller,_New_York,_1887-1891)_Heft_03_Seite_13.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)