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Johann Most: Die Gottespest

bereits idiotisirt genug ist, ihn zu verdauen, empfänglich für irgend einen Wahnwitz zu machen.

Hierher gehört vor Allem die Lehre von der Belohnung und Bestrafung des Menschen im sogenannten „Jenseits“. Längst ist es wissenschaftlich erwiesen worden, dass es ein vom Körper unabhängiges Seelenleben nicht gibt, dass das, was die Religionsschwindler „Seele“ nennen, nichts weiter ist, wie das Denkorgan (Hirn), welches durch die lebendigen Sinnesorgane Eindrücke empfängt und auf Grund derselben sich bethätigt, und dass mithin im Augenblicke des körperlichen Absterbens auch diese Regung aufhören muss. Was kümmern sich aber die Todfeinde des menschlichen Verstandes um die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung? Gerade so viel, als nöthig ist, dieselben nicht ins Volk dringen zu lassen.

So predigen sie denn das „ewige Leben“ der menschlichen „Seele“. Wehe derselben im „Jenseits,“ wenn der Leib, worin sie „diesseits“ gesteckt, die Strafgesetze „Gottes“ nicht pünktlich respektirte! Wie uns diese Leute nämlich versichern, ist ihr „allgütiger, allgerechter, allbarmherziger, gnädiger etc. etc. Gott“ eine Ultra-Schnüffelnase, welche sich um jeden Pfifferling eines jeden Einzelnen bekümmert und jeden „Fehltritt,“ den ein Mensch macht, in seine Allerweltsakten einträgt. Dabei ist er ein ganz absonderlicher Kauz. Während er wünscht, dass neugeborene Kinder unter Gefahr des Schnupfens ihm zu Ehren mit kaltem Wasser begossen (getauft) werden; während er einen Heidenspass hat, wenn unzählige Glaubensschafe in ihren kirchlichen Ställen ihn litaneienmässig anblöken, oder wenn ihm die Eifrigsten seines Anhangs ohne Unterlass fromme Katzenmusiken darbringen und ihn um alle möglichen und unmöglichen Dinge anbetteln (beten); während er sich in blutige Kriege mischt und als „Schlachtengott“ sich von den Siegern anposaunen und beweihräuchern lässt, wird er fuchsteufelswild, wenn Jemand an seinem Dasein zweifelt, falls er Katholik ist, an Freitagen Fleisch isst oder nicht fleissig per Ohrenbeichte seine „Sünden“ losscheuert, falls er Protestant ist, nicht die den Katholiken empfohlenen Heiligenknochen, Muttergotteslappen und Bilder verachtet, oder wenn er überhaupt nicht mit bockledernen Mienen, verdrehten Augen, gekrümmtem Rücken und gefalteten Händen in der Welt umher duselt.

Stirbt so ein Mensch in „verstocktem“ Zustande, so wird ihm vom „lieben Gott“ eine Strafe zudiktirt, gegen welche alle Hiebe mit Knuten und neunschwänzigen Katzen, alle Zuchthaus-Qualen und Verbannungs-Leiden, alle Empfindungen der Verdammten auf dem Schaffotte, alle Foltern und Martern, die je ein irdischer Tyrann ersonnen haben mag, nur angenehme Kitzeleien sind. Dieser „Gott“ überbietet an bestialischer Grausamkeit Alles, was auf der Erde Kanailleuses passiren könnte. Sein Zuchthaus heisst Hölle, die wir bereits kennen, sein Henker ist der Teufel, seine Strafen dauern ewig. Er gewährt höchstens für leichte Fälle nach längerer Zeit Begnadigung, vorausgesetzt, dass der betreffende Delinquent als Katholik gestorben ist. Für einen Solchen hat er nämlich unter