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Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843

werde, als irgend eine directe oder indirecte Zwangsmaßregel.

Von Oestreich aus haben sich Stimmen vernehmen lassen für die Abschließung eines italienischen Zollvereins nach Art des deutschen. Ein Triester Blatt, das „Journal des östr. Lloyd“, hat den Aufsatz, welchen der italienische Statistiker, Graf Luigi Serristori, über diesen Gegenstand in den Mailänder Annali di Statistica abdrucken ließ, vollständig aufgenommen, was für den, der die Censurverhältnisse des Kaiserstaates kennt, ein Wahrzeichen ist, daß die darin ausgesprochenen Ansichten in Wien nicht gemißbilligt werden. Zu diesen Ansichten gehört jedoch unter Anderm auch, daß Oestreich nicht blos mit dem lombardisch-venetianischen Königreiche, sondern auch mit seinen deutschen Ländern dem italienischen Zollverein beitrete. Nun giebt es zwar in Deutschland Manche, die dem Vaterlande daraus einen Gewinn versprechen, wenn sich Oestreichs Interessen von uns ab- und Italien ganz und gar zuwenden wollten; diese Leute gehören jedoch auch zu den oben bezeichneten Egoisten, die nicht im Stande sind, ihren kurzsichtig aufgefaßten Privatvortheil dem großen Ganzen zum Opfer zu bringen. Oestreichs deutsche Stämme sind die kernhaftesten des gesammten Deutschlands, und wir wären des letztern, als eines gemeinsamen Vaterlandes, unwerth, wenn wir jene auch nur einen Augenblick aufgeben könnten. Die Nachfolger der deutschen Kaiser werden aber auch gewiß nie die Hand dazu bieten, daß ihre deutschen Unterthanen durch Verschmelzung ihres Interesses mit dem eines fremden Staates dem deutschen Körper völlig entfremdet würden!

Ein Artikel des Standard, eines englischen ministeriellen Blattes, worin die England günstigen Beschlüsse des vorjährigen Stuttgarter Zollcongresses als Resultate der geschickten diplomatischen Einwirkung des großbritanischen Cabinettes auf das preußische dargestellt wurden, hat in Deutschland großes Aufsehen gemacht. Besonders die Richterhöhung des Eingangszolles auf Baumwollengarn und die Richteinführung eines Zolles auf Roheisen sollte dieser Einwirkung zu verdanken sein, während die Behauptung hinzugefügt wurde, daß die von dem Congreß beschlossene Erhöhung des Zollsatzes für bedruckte oder brochirte wollene, oder aus Wolle und Baumwolle gemischte Waaren von 30 auf 50 Thlr. für den Centner von Preußen auf die an dasselbe von England aus gemachten Gegenvorstellungen damit entschuldigt worden, daß es geglaubt, dergleichen Waaren würden nur von den Franzosen fabricirt und daß es, nachdem es über den Antheil der Engländer an diesem Fabrikzweige belehrt worden, zwar versucht habe, die Erhöhung bei dem Congresse zu hintertreiben, dieser jedoch hierauf nicht eingegangen sei. Die preußische Regierung hat sich durch diesen, sie in der bisher von ihr in allen Zollvereinssachen bewahrten Unbescholtenheit sehr benachtheiligenden Artikel veranlaßt gesehen, eine Darstellung des Sachverhältnisses in die preuß. Staatszeitung einrücken zu lassen. Daraus geht hervor, daß Preußen in seinen Unterhandlungen mit England durchaus keine Verbindlichkeit des Zollvereins, die Tarifsätze nicht zu erhöhen, anerkennt; daß es allerdings eine billige Rücksicht auf das Versprechen Englands genommen, gewisse deutsche Producte, wie Wein etc., im Zoll herabsetzen zu wollen; daß es jedoch in Bezug auf Baumwollengarn und Eisen nur von der eigenen Ueberzeugung, diese Artikel für jetzt nicht zu vertheuern, sich habe leiten lassen, und daß es endlich Preußen selbst gewesen, welches die Erhöhung des Zolles auf wollene oder mit Baumwolle gemischte bedruckte Waaren beim Congresse in Antrag gebracht und daß es seinen Commissarius bei demselben ausdrücklich beauftragt, zwar diese Erhöhung allenfalls noch auf ein Jahr aussetzen zu lassen, wenn der Congreß auf die von England in Aussicht gestellten Zollverminderungen Rücksicht nehmen wolle, daß aber, wenn die anderen Staaten Bedenken fänden, diesen Ausweg einzuschlagen, die preußische Regierung durchaus nicht gemeint sei, von ihrem früheren Vorschlage zurückzustehen und durch ihren Widerspruch die Tarif-Erhöhung zu verhindern.

Aller Augen sind jetzt in Preußen auf den in Düsseldorf zusammen getretenen rheinländischen Provinzial-Landtag gerichtet. Es hat dieser den Vortheil, nachdem bereits die sieben übrigen Landtage Preußens ihre Verhandlungen beendigt, die Gesinnungen des Landes über die vorgelegten Fragen genau zu kennen. Fast in allen rheinländischen Städten waren die Bürger zusammengetreten und haben in mehren Conferenzen ihren Abgeordneten die Wünsche der Stadt dargelegt. Petitionen zur Erlangung von Preßfreiheit, Oeffentlichkeit der Landtags-Verhandlungen sowie der Sitzungen der städtischen Verwaltung, und zur Ausdehnung der Wählbarkeit der Landtagsabgeordneten wurden an vielen Orten unterzeichnet, wie sich denn überhaupt zeigt, daß man am Rhein ebenso wie in Ostpreußen die Bedeutung der politischen und der individuellen Freiheit viel mehr zu würdien wisse, als in den übrigen Landestheilen der preußischen Monarchie. Ein von der „Kölnischen Zeitung“ vor Kurzem gelieferter leitender Artikel hatte die Ansicht zu begründen gesucht, daß in der öffentlichen Stimmung der Rheinlande eine vorzugsweise durch die neuesten Preßbeschränkungen hervorgerufene Unbehaglichkeit sich kund gebe, wie sie in gleichem Maße kaum zu irgend einer frühern Zeit vorhanden gewesen. Dieser Artikel war in einer halbofficiellen, mehren Zeitungen aus Berlin zugegangenen Berichtigung als unwahr bezeichnet worden und dem Verfasser ward vorgeworfen, daß es ihm dabei nicht um Belehrung, sondern um Aufregung des Publicums zu thun gewesen. Die „Kölnische Zeitung“, die, solange ihre Rivalin, die „Rheinische Zeitung“, existirte, eine überaus conservative Farbe getragen, blieb zwar bei ihrer Behauptung von dem in der Rheinprovinz allgemein herrschenden Unbehagen, aber der Verfasser der leitenden Artikel, Dr. Hermes, hat sich durch den ihm gemachten Vorwurf veranlaßt gesehen, dieselben gänzlich einzustellen, und ist seitdem durch Annahme einer Stelle bei der Redaction der Allgemeinen Preußischen Zeitung zu den entschiedenen Gegnern der Preßfreiheit übergetreten.

In Bayern hat am 6. Mai die feierliche Eröffnung des Ludwigs-Canals stattgefunden, welcher die Donau mit dem Main und durch diesen mit dem Rhein in Verbindung bringt. Einstweilen ist die Strecke zwischen Bamberg, Forchheim, Erlangen und Nürnberg dem Verkehr übergeben, und bald wird auch der Theil zwischen Nürnberg und der Donau folgen. Privatindustrie hat hier durch Actien ein Unternehmen gegründet, dessen segensreiche Folgen für den süd- und westdeutschen Handel noch gar nicht zu berechnen sind, obwohl in den ersten Jahren das Actien-Capital nur eine geringe Rente abwerfen wird. Tritt aber erst das projectirte bayerische Eisenbahn-Netz in Verbindung mit dem Canal und ist erst die große Handelsstraße der untern Donau dem Weltverkehr eröffnet, so werden auch die 6 oder 7 Millionen Gulden, die dieses Unternehmen gekostet, einen mehr als reichlichen Ertrag gewähren. Daß übrigens unsere Zeit von der Nordsee bis nach Wien und von da wieder bis an das Schwarze Meer eine mitten durch den Continent gehende Wasserstraße hergestellt, gereicht ihr jedenfalls zur Ehre und wird von der Nachwelt dankbarer noch als von der Mitwelt anerkannt werden.

Die bayerische Abgeordneten-Kammer hat nach einer den Erörterungen in der sächsischen zweiten Kammer würdig an die Seite zu stellenden Debatte über Censur und Preßfreiheit den Antrag des Abgeordneten, Dr. Schwindel, folgendermaßen genehmigt: „Es möge Sr. Maj. der König auf verfassungsmäßigem Wege gebeten werden: 1) zur Verhütung jeder Willkür im Censur-Verfahren bezüglich der politischen Zeitungen, wie in den Repressiv-Maßregeln hinsichtlich der Druckschriften überhaupt, den Entwurf eines die verfassungsgemäß versprochene Preßfreiheit sichernden Preßgesetzes vorlegen zu lassen; schon jetzt aber jedenfalls 2) eine amtliche Veröffentlichung der zum Vollzug der verfassungsmäßigen Bestimmungen über die Censur geltenden allgemeinen Vorschriften veranlassen zu wollen – wobei zugleich die Bitte um eine freisinnige Censurinstruction ausgesprochen wurde –; 3) die bisher bestandene Confiscation von Schriften, die in einem andern Bundesstaate mit obrigkeitlicher Erlaubniß verlegt wurden, in Rücksendung an den auswärtigen Verleger verwandeln zu lassen.“ – Es war bei Gelegenheit dieser Debatte auch von den politischen Gefangenen die Rede, die größtentheils einer Uebereilung in Wort oder Schrift ihre strenge Haft zuzuschreiben haben – wir erinnern in dieser Beziehung nur an den ehemaligen Bürgermeister Behr von Würzburg, sowie an den als Schriftsteller ausgezeichneten Dr. Eisenmann – und die Kammer genehmigte den Antrag des Freiherrn von Thon-Dittmer: „Es möge Sr. Maj. dem Könige gefallen, den wegen Preßvergehen und überhaupt wegen politischer Untersuchungen Verurtheilten vollständige Verzeihung und Begnadigung angedeihen zu lassen.“

Nach den Erklärungen, die der bayerische Regierungs-Commissair und Oberstudienrath, Freiherr von Schrenk, in der Abgeordneten-Kammer ertheilte, sind im Königreiche Bayern während der letzten 61/4 Jahre 165 deutsche Bücher und Flugschriften confiscirt worden. Der Redner führte diese Zahl als einen Beweis an, wie gering im Grunde das Verhältniß der confiscirten zu dem der in Deutschland überhaupt erscheinenden Bücher sei. Uns dünkt jedoch diese Zahl, wenn wir erwägen, daß dies ungeachtet der in ganz Deutschland bestehenden Censur geschehen sei, außerordentlich groß. Wir glauben nicht, daß in den übrigen Bundesstaaten irgendwo so starke Beschlagnahmen stattgefunden; jedenfalls aber wäre es interessant, die Zahl der gesammten Bücher- und Zeitungs-Prohibitionen Deutschlands zu kennen und statistisch vergleichend neben einander zu stellen. Es kommen diese Erscheinungen in unserm Vaterlande vor, wo die Staats- und die Selbst-Censur ohnedies schon dafür sorgen, daß nichts Gefährliches oder auch nur Bedenkliches gedruckt werde. Sollen wir hieraus etwa den Schluß ziehen, daß sich ohne die Censur die Zahl der von Polizei und Gerichts wegen zu verfolgende Schriften übertrieben vermehren würde? Gewiß nicht – wenn unsere Regierung überhaupt nur mehr Vertrauen zu dem gesunden Sinne des deutschen Volkes hätte, das, wenn ihm gewisse Schriften nicht durch Verbote interessant gemacht werden, ihnen von selbst ihr Urtheil spricht. Wir verweisen in dieser Beziehung auf die deutsche Presse in der Schweiz und in Nord-Amerika. Bekannt ist, wie die erstere eine ihr aus Deutschland zugesandte, von einem ehemaligen preußischen Oberregierungsrath herrührende unsittliche Schrift mit Unwillen zurückgewiesen; allerdings werden dort hin und wieder politische Broschüren einiger deutschen Mißvergnügten gedruckt, aber ist dies nicht eben blos eine Folge der in Deutschland obwaltenden Censurverhältnisse? Und was die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika betrifft, so erscheint dort eine ganz ansehnliche Zahl deutscher Zeitungen, aber diese zeichnen sich insgesammt durch ihre Haltung und ihrem Ton vor den in englischer und in französischer Sprache dort publicirten Blättern aus.

Auch in der sächsischen zweiten Kammer ist am 8. Mai die Censur wiederum ein Gegenstand der Controverse gewesen. Ein Theil dieser Versammlung wollte nämlich die im Budget des Ministeriums des Innern ausgeworfene Summe von 3500 Thlr. als Kosten der Verwaltung der Preßpolizei nicht bewilligen, weil dieses Postulat im Widerspruche mit der Verfassung und mit der erst vor Kurzem erfolgten Abstimmung zu Gunsten der Preßfreiheit stehe. Nachdem jedoch selbst ein bekanntes freisinniges Mitglied – Herr v. Thielau – darauf hingewiesen, daß die Kammer sich unmöglich den in dieser Beziehung bestehenden Bundesbeschlüssen entziehen könne, wurde das Postulat von 42 gegen 18 Stimmen bewilligt. Aehnlich erging es am folgenden Tage der in dieser Versammlung zum Vortrag gekommenden Beschwerde des Buchhändlers Otto Wigand und des Dr. Arnold Ruge über die im Januar d. J. erfolgte Unterdrückung der „Deutschen Jahrbücher“, die seitdem durch Bundesbeschluß verboten worden sind. Es wurde von Seiten des Ministeriums geltend gemacht, daß die Herren Wigand und Ruge eine Concession zur Herausgabe der Deutschen Jahrbücher allerdings und zwar auf Widerruf erhalten und angenommen hätten, die Regierung also vollkommen berechtigt gewesen sei, diesen Widerruf zur geeigneten Zeit eintreten zu lassen. Dies erschien der Mehrheit hinreichend, um den Vorwurf zu beseitigen, daß durch das Verbot der Jahrbücher ein Eingriff in das Privateigentum stattgefunden

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_05.pdf/7&oldid=- (Version vom 21.5.2018)