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Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843

Scene des zweiten Actes, wo Friedrich Barbarossa sich zu erkennen giebt.

Urgroßvaters, nach ihm kommt Magnus, nach Magnus Hatto, nach Hatto Conrad, und so geben die Grafen von Heppenhef eine Totalsumme von nahe 270 Jahren; man sieht, diese Herren stehen nicht mehr in der Jugendblüthe.

Geffroy in der Rolle des Otbert.

Mademoiselle Denain in der Rolle der Regina

Seiner Zeit galt Hiob für einen tapfern und beherzten Degen. Wie sein Panzerhemd, war auch sein Herz von Stahl; jenes widerstand dem Eisen, wie dieses der Furcht; er glaubte nur an sein Schwert, und nie ließ sich ein Fremder in der Burg erblicken, ohne daß Hiob ihn bat, Platz zu nehmen.

Magnus kam dem Beispiele seines Vaters nahe; aber es war derselbe Geist, derselbe Arm nicht mehr; das väterliche Schwert erschien ihm schon zu gewichtig, und wie sich sein Leib unter der alten Waffe beugte, wurde auch seine Seele schwächer und gab den verrätherischen Angriffen der Weichlichkeit und des Vergnügens nach.

Wie es mit Hatto steht, kann man sich denken. Der tüchtige Burggrafenstamm artet aus und wird kraftlos, und Hatto’s Sohn verspricht eine noch dürftigere Nachkommenschaft.

Was ist das für ein Geräusch, für ein Toben? Ist es das Geklirr der Waffen, der Schlachtruf der Streitenden, jenes Getöse, welches unter den Wölbungen der Burg Heppenhef erschallt? Nein, das ist der tolle Lärm eines Trinkgelages, es ist das Anstoßen der Humpen, welche sich nur leeren, um sich wieder zu füllen, und sich nur füllen, um wieder geleert zu werden. Hatto ist dabei der Anführer, und mit ihm herrschen jetzt in der Burg Ausschweifung und Gewaltthätigkeit. Entreißter sich auch einmal seinem trunkenen, tollen Leben auf der Burg, so geschieht dies nur, um sich wie ein Raubvogel von seinem Schlosse herab auf das Land zu stürzen, die Ernten zu erbeuten, die Hütten zu vertilgen, die Frauen wegzuführen und die Männer zu seinen Sklaven zu machen, während der uralte Hiob und der alte Magnus sich in die Einsamkeit des traurigen Schloßthurmes zurückgezogen haben, um dieses entehrende Schauspiel ihres eigenen Verfalls nicht vor Augen haben zu dürfen.

Beim Vater Rhein! Hatto ist heute seelenvergnügt, denn er gibt ein großes Festmahl, einen herrlichen Schmaus. Die wüsten Gesänge, die tollen Ausbrüche des Jubels donnern gegen die Zinnen und erschüttern die Luft. O du blindes, brutales Geschlecht! berausche dich; ertränke deinen Muth und die Ehre der Väter im schäumenden Becher; der Rhein ist ein fruchtreicher Strom, und die Traube, welche unter ihrer purpurnen Hülle diesen köstlichen Saft zur Reife bringt, spiegelt sich in seinen Wellen. Aber meinst du nicht, daß eine mißgünstige Schlange unter diesen Blumen lauern kann, der Schmerz in dieser Freude, die Züchtigung in diesem ungestraften Treiben, der Tod in diesem entzügelten Leben?

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_05.pdf/13&oldid=- (Version vom 7.6.2018)