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Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843


Das von außen und innen prächtig verzierte Schützenhaus, in dessen Hauptsaal die vielen Fahnen der Stadt prangten, hatte am ersten Pfingstfeiertage mit vielen Bürgern der Stadt eine Menge Fremde vereinigt, Abgesandte in- und ausländischer Schützenvereine, welche in Gedichten die Jubelgesellschaft begrüßten oder derselben durch prachtvolle Schützensterne ihren Antheil kund gaben. Unter dem Festmahle ließ unser geliebter König durch den Kreisdirector Dr. v. Falkenstein einen alten goldenen Jagdpokal vom Jahre 1685 mit beigefügtem eigenhändig unterzeichneten Schreiben huldreich überreichen. Die Außenseite des königlichen Pokales verherrlichen außer der Widmungsinschrift noch folgende Strophen:

Wenn echter Bürgersinn sich frei entfaltet
Und Treu’ und Einfachheit
Im Bürgerhaus wie im Palaste waltet:
Das ist die gold’ne Zeit.

Drum haltet fest in Eurem Bürgerkreise!
Das ist des Bürgers Ruhm,
Daß er als Vorbild Andern sich erweise
Im guten Bürgerthum.

Der königliche Pokal.

Darauf überreichte der abgeordnete Stadtrath Söhlmann, als Ehrengabe der Stadt, einen silbernen Pokal, von unserm Goldarbeiter Kruhl kunstreich gearbeitet. Auf dem Deckel, in welchen sächsische Münzen aus den denkwürdigsten Zeiten dieser 400 Jahre, von 1443 bis 1843, eingelegt sind, waltet der Schutzheilige Sebastian, und die Rundung des Bechers ist mit Wappen und Schützensinnbildern versehen, dazu die Inschrift:

So oft der Schütz mich führt zum Mund,
Thu’ er mit seiner Lippe kund,
Wie hochbeglückt das Vaterland
Im Jahre Drei und vierzig stand!
Sodann geb’ er dem Vivat Raum
Auf Leipzig, – Sachsens Lebensbaum!
Wenn ferner noch der Becher winkt,
Mit Fug der Schützen Wohl er trinkt;
Gilt’s endlich jedem Ehrenmann,
So trinke Jeder, was er kann!

Daß nun Dankerwiederungen und vielfache Toaste, oft in herrlichen Reden freisinniger Kraft und besonnener Gediegenheit, nicht fehlten, deren manche mit allgemeinem Jubel aufgenommen wurden, Freude und Gesang bis Abends das Mahl verherrlichten, mag nur im Ganzen und Allgemeinen erwähnt werden.

Den zweiten Jubeltag beging man mit einem großen Adlerschießen, das mit Rüstungen gehalten wurde. Abends war glänzender Ball bis an den nächsten Morgen. Am dritten wurde ein stattliches Hirschschießen mit Feuergewehr begonnen und Nachmittags von einem Kinderfeste unterbrochen.

Ehrengabe der Stadt Leipzig.

Der letzte Festtag beendete das Hirschschießen. Die Ehrenpreise bestanden in silbernen Bechern. Abends war großes Concert vom Queißerschen Musikchore. Unter den gut ausgeführten Musiksätzen ist ein für die Jubelgesellschaft eigens componirter und von G. Kunze derselben gewidmeter Festmarsch besonders zu erwähnen. Das von einer außerordentlichen Menge besuchte Gartenconcert wurde bei glänzender Beleuchtung des Gartens und des Schützenhauses gehalten und schloß mit einem schönen Feuerwerke.

In denselben Räumen des Schützenhauses wurde am 10. und 11. d. M. eine große Provinzial-Liedertafel, die erste in Leipzig, gehalten. Der Gedanke, jedes Jahr eine solche Liedertafel zu feiern, ging von Friedrich Schneider aus, welcher auch mit Recht beständiger Director dieses Vereines ist. Die erste Zusammenkunft fand bereits 1832 Statt. Die Städte, welche sich zu einem solchen Jahresfeste, das jetzt seit mehren Jahren in der Regel am Sonnabend und Sonntag nach Pfingsten gefeiert wird, verbunden haben, sind: Barby, Dessau, Halle, Cöthen, Magdeburg und Zerbst. Diese Städte wechselten bisher unter sich. Da nun die ältere Liedertafel Leipzigs mehr oder weniger der Stammverein ist, so wurden die Mitglieder derselben stets zu diesen Festen freundlich eingeladen und gern gesehen. Unterdessen hat sich in unsrer Stadt, die noch außerdem manchen Männergesangverein aufzuweisen hat, eine jüngere Liedertafel gebildet. Mit dieser im Bunde hatten sich nun hier 200 Männer zum Gesange zusammen gefunden, der auch an beiden Festtagen glänzend ausfiel. Der erste Gesang dieses Liedertafelbundes pflegt „Haltet Frau Musica in Ehren“ von Rochlitz zu sein, dem gewöhnlich gleich noch „Hoch lebe deutscher Gesang“ angeschlossen wird, weil beide Gesänge für einen zahlreichen Männerchor berechnet und sonst ihres Inhaltes wegen dazu trefflich geeignet sind. So war es auch hier. Ein Begrüßungslied der uns besuchenden Liedertafeln war von Dr. Adolf Wendler, einem Mitgliede der älteren Leipziger Liedertafel, gedichtet, und von dem Doctor der Rechte, H. T. Petschke, einem Mitgliede der jüngern Liedertafel, componirt und von den Leipzigern vorgetragen worden. Einen Gegengruß, gedichtet von C. Kretschmann, welcher sich überhaupt um die Provinzialzusammenkünfte sehr verdient gemacht hat, und componirt von Aug. Mühling, brachte die Magdeburger Liedertafel. Chorgesänge und Solo-Quartette von den verschiedensten Meistern und Vereinen wechselten schön und reich, so daß am ersten Abend siebzehn Gesänge meist vortrefflich ausgeführt wurden. Wie viele aber am folgenden Tage, der in der Regel überall noch inniger und fröhlicher sich gestaltet als der erste, gesungen worden sind, mag der Himmel wissen. Zu wenige waren es nicht, aber auch nicht zu viele; es wuchs die Lust und Liebe bis zum Scheiden. Auch unser seit Jahren sehr verschöntes Rosenthal hat nicht wenige dieser Gesänge gehört, unter welchen es wahrhaft meisterliche giebt, die wohl an allen Orten Anklang finden würden und zum Theil schon gefunden haben. Und so war denn wieder eine große, stärkende Gesangslust zu den Erinnerungen gelegt, die für den Verlust der Jugend zu entschädigen bestimmt und vermögend sind. Die nächste Zusammenkunft wird in Dessau gehalten.

96.

Die Burggrafen (Les burgraves), Trilogie in Versen, von Victor Hugo.
Zum ersten Male aufgeführt auf dem Théatre-Français in Paris.

Seht ihr das schwarze Schloß dort auf der Spitze eines Felsens, wie ein Geiernest schwebend und mit Schießscharten, Zinnen und Fallthoren bewehrt? Es ist das Schloß Heppenhef. Beiläufig gesagt, man kennt in Deutschland wohl schwerlich eine Familie oder ein Schloß Heppenhef; der Name ist ohne Zweifel aus Victor Hugo’s Kenntniß des Deutschen hervorgegangen, die so luxuriös ist, daß sie sich sogar bis zum Phantastischen steigert; vielleicht dachte er an den Spottruf Hep! Hep! der auch in Frankreich bei Gelegenheit deutscher Emeuten gegen die Juden bekannt geworden ist, und verwechselte hef mit Hof, daher die seltsame Bildung Heppenhef. Kurz, dieses Schloß gehört einer alten Familie von Burggrafen. Die Herren dieser Burg

Beauvallet in der Rolle des Hiob.

haben sie, vom Vater zum Sohne, Enkel, Ur- und Ururenkel herab, seit undenklichen Zeiten besessen. Gegenwärtig, nämlich im Stücke, leben darin, Urgroßvater und Urenkel eingeschlossen, vier Generationen. Hiob ist der Name des

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_05.pdf/12&oldid=- (Version vom 7.6.2018)