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Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843


Wappen, das in erhabener Arbeit und mit den beiden Schildhaltern des Königlichen Wappens dargestellt ist, die zu führen die Königin Sir Moses zur Belohnung der Dienste, welche er in diesem Fall der Sache der Humanität und der Religionsfreiheit geleistet, das Recht verliehen. Auf der entgegengesetzten Seite sieht man in der zweiten Darstellung den Durchgang der Juden durchs rothe Meer und wie ihre egyptischen Bedrücker durch Moses Vermittelung

Zweite Darstellung.

den Untergang finden. Die dritte Darstellung bezeichnet den in der Welt herrschenden Zustand gesetzloser Willkür durch Löwen und Wölfe, die Lämmer verschlingen. Auf der vierten, dieser Darstellung entgegengesetzten Seite bedeutet das Zusammenleben der verschiedenen Thierarten,

Vierte Darstellung.

wie Jesaias es beschrieben, einen Zustand der Eintracht, der Sicherheit und des Glücks. Das Ganze wird von Sphinxen getragen: eine Hinweisung auf das Land Egypten, wo Israel so lange in Knechtschaft gehalten wurde. Es ist ein Werk, welches der englischen Kunst zur hohen Ehre gereicht, das merkwürdige Ereigniß, worauf es Bezug hat, in passender Weise im Andenken erhält, und für den glorreichen Vertreter Israels, dem es gewidmet worden, eine würdige Huldigung bildet.

Die Ueberreichung dieses Ehrengeschenks geschah am 27. März, in Sir Moses Montefiore’s Wohnung in Parklane durch eine Deputation, an deren Spitze sich Hr. de Castro als Vorsitzender des zu diesem Zweck zusammengetretenen Vereins befand, und war von folgender Adresse begleitet:

„Sehr verehrter Herr! Wir haben lange dem jetzigen Augenblick als einer hohen und ehrenvollen Genugthuung entgegengesehen, wenn wir von Seiten der israelitischen Gemeinde kommen würden, Ihnen dieses Zeichen ihrer Dankbarkeit und Hochachtung darzubringen. Die Dienste, welche Sie zu einer Zeit der Aufregung und Verfolgung unter einem fremden Himmel der Religion und der Menschheit geleistet, waren von einer Art, wie sie selten erforderlich werden. Der Bereitwilligkeit, dem Muth und dem Eifer, womit Sie diese Angelegenheit aufnahmen, kam nur die Uneigennützigkeit, die Umsicht und die Entschiedenheit gleich, die Sie bei der Vollführung des Zweckes, welchen Sie im Auge hatten, bewiesen: Rückgabe der Freiheit an die Bedrückten und vollständige Widerlegung der niedrigen Verleumdungen, die gegen unsern Glauben aufgebracht worden waren. Mit Hülfe einer gütigen Vorsehung sind diese beiden Hauptzwecke erreicht worden. Die herzlichen Danksagungen der entlassenen Gefangenen erklären Sie führ ihren Befreier. Der Ferman des Sultans verneint jene Verleumdungen, deren unglückliche Opfer sie gewesen. Von Ihnen und von Ihrer liebenswürdigen Gemahlin, der Theilnehmerin Ihrer Mühen und Gefahren, läßt sich mit Recht sagen, daß Ihre Dienste Thaten des Herzens waren, Werke, die vor allen andern am meisten Auszeichnung und Belohnung verdienen. Mögen Sie stets frohe Botschaften für Zion haben und lange leben, um Ihre wachsame Sorgfalt für Alle, die Ihres Trostes und Ihrer Unterstützung bedürfen, fortzusetzen. Wie freudig werden Ihre leidenden Brüder in Jerusalem den neuesten Beweis Ihrer Großmuth empfangen: die Begründung einer Apotheke für die Armen unseres Glaubens, die jetzt das Land unserer Väter bewohnen. Im Namen des jüdischen Volks überreichen wir Ihnen dieses Anerkenntniß Ihrer großen und erfolgreichen Bemühungen, in der Hoffnung, daß der Segen unseres himmlischen Vaters Ihnen und Ihrer Gemahlin viele, viele glückliche Jahre schenke, es zu betrachten und zu genießen.“

Sir Moses Montefiore beantwortete diese Adresse auf eine angemessene Weise und gab dann den Deputirten nebst einigen Anverwandten und Freunden ein glänzendes Festmahl, an dem 32 Gäste und unter diesen seine Reisegefährten: David Williams Wire, Esq. und Dr. Loewe Theil nahmen.

28.


Ein Reisemärchen.
(Fortsetzung.)
Viertes Capitel.
Wie Franz ganz beschneit nach Hause geht und nachdenkt. Betrachtungen über Tagebücher.

Des Majors forschender Blick hatte Franzen ganz bestürzt gemacht, um so mehr, als die sonst so heitere ruhige Maria auch traurig ausgesehen. Mechanisch war er daher nach seiner Wohnung geeilt und hatte erst bemerkt, daß er unterwegs ganz beschneit worden, als er sich vor seinen Ofen hingesetzt und eine Pfeife angezündet.

Er stellte nun allerlei Betrachtungen an. Ich glaube, es ist aber besser, ich lasse ihn selbst reden und höre ihm zu; oder vielmehr, ich lasse ihn selbst schreiben und lese es zu gleicher Zeit mit dem geneigten Leser; denn was nun folgt, das besitze ich von seiner eignen Hand geschrieben in Papieren, die er mir am Abend vor seinem Hochzeittage gab. Ihr wißt, gerade wenn man sich verheirathet, besitzt man oft Dinge, die man eben so ungern bewahren wie verlieren will; diese Dinge vertraut man dann einem Freunde an, dieser vertraut sie wieder einem Freunde an und so von Freund zu Freund gelangen sie endlich bis zu Dir, geliebter Leser! Warum sollten sie das auch nicht?

Es ist also Franzens Portefeuille, das wir zusammen öffnen wollen. Ich sage Portefeuille, ich könnte auch Lebensreisemappe sagen – Album würde eben so gut passen – denn Franz hatte die Eigenheit, wenn es ihm gerade an Tinte fehlte, oder seine Federn nichts taugten, seinen Bleistift zu nehmen und zu zeichnen anstatt zu schreiben, oder auch, was noch viel schlimmer war, wenn sein Bleistift keine Spitze und er kein Messer bei der Hand hatte, Verse zu machen. –

Das Portefeuille enthält daher Franzens Tagebuch im weitesten Sinne des Wortes.

Tagebuch! das heißt eigentlich Lügenbuch; denn auch der wahrste Mensch wird unwahr, wenn er ein Tagebuch führt. Er schreibt nicht auf, was er gedacht und gefühlt hat, sondern was er hätte denken und fühlen sollen oder müssen. Das bringt er aufs Papier, als hätte er es gedacht und gefühlt. Wer etwas schreibt, denkt sich im Schreiben desselben schon einen Leser, und den Leser eines Tagebuchs, nämlich sich selbst, denkt der Schreiber desselben als die Quintessenz einer Welt. Mit dieser Welt nun, die obligat als Instrument eines Virtuosen die Lebensarie stets begleitet, liebäugelt der Verfasser unwillkürlich und unaufhörlich und bemüht sich unablässig, sich und Alles, was sich auf seinen Helden bezieht, im glänzendsten Lichte darzustellen, obwohl nicht jederzeit, trotz der hellen Beleuchtung, deutlich. Ein Tagebuch gleicht einer Landschaft, die um eine Figur herum gemalt wurde; Alles ist daher, wenn auch unbewußt, auf Effect berechnet, und die vorherrschende Leidenschaft oder Neigung des Schreibers setzt allein die Lichter auf oder spart sie aus, je nachdem er sich die Farbe bereitet.

Diese Bemerkung soll den Leser indessen nicht gegen Franzens Tagebuch stimmen. Damit das nicht geschieht, bitte ich ihn, dasselbe mit dem seinigen zu vergleichen. Dabei gewinnen beide Theile. Entweder findet er, daß er wahrer und besser sei, und das freut ihn; auch leidet Franz nicht darunter, denn als ein besserer Mensch muß er – der Leser – Mitleid mit dem armen Verirrten empfinden. Es ist ja ein sehr angenehmes Gefühl, an die Brust schlagen und sagen zu können: „Herr, ich danke dir, daß ich nicht bin wie dieser Einer!“ – und viele Leute kitzeln sich in unseren Zeiten damit. – Oder auch: er findet Franzens Tagebuch interessanter, und das ist ebenfalls ein Gewinn. Denn wer liest nicht gern etwas Interessantes!

Natürlich bleibt es dem Leser überlassen, selbst zu entscheiden, nachdem er es durchgelesen, wo der Gewinn lag.

Ich bemerkte oben, daß Franz Verse machte, wenn er gerade kein besseres Material zur Hand hatte; hier sind einige von diesen Versen – das Bündelchen, das auf dem Tische liegt und herunterzufallen droht, enthält Nichts als solche. Sehen wir, ob es sich der Mühe lohnt, sie zu lesen;

Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_03.pdf/14&oldid=- (Version vom 7.1.2019)