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Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843

Theater Ventadour in Paris. – Eine Scene aus dem 2. Acte des Don Pasquale.

auf dem Halse: das Zipperlein, ein Neffe und ein Arzt. Letzterer macht sich über ihn lustig, und das ist in der Ordnung. Der Neffe ist verliebt, und das ist abermals in der Ordnung. Zu was ist man denn ein Neffe, wenn nicht um in ein junges, hübsches, aber armes Mädchen verliebt zu sein, und den alten gichtbrüchigen Onkel mit dieser Liebschaft fuchswild zu machen, der nun seinem Neffen durchaus eine reiche, aber häßliche Frau auf den Hals hängen will. Aber Don Pasquale ist auch ein Onkel – wie sehr viele andere Onkels: als sein Neffe ihm rund heraus

Madame Grisi.
Erste Sängerin der italienischen Oper in Paris.

Lablache.
Erster Bassist der italienischen Oper in Paris.

erklärt, daß er nicht die mindeste Lust verspüre, nach des Herrn Onkels Pfeife zu tanzen, geräth er dermaßen in Harnisch, daß er selbst, Don Pasquale, zur Strafe für den rebellischen, widerspänstigen Neffen, zu heirathen beschließt – trotz seiner Perrücke, seines Zipperleins und seiner siebenzig Jahre. Aber Don Pasquale fällt nun aus der Scylla in die Charybdis; das heißt: er vertauscht den Neffen gegen den Doctor.

„Schaffen Sie mir eine Frau; und zwar gleich auf der Stelle! sagt er zum Doctor.“

„Mit Vergnügen!“ erwiedert der Doctor.

Und der Doctor bringt ihm stracks die begehrte Frau, und – was für eine! Sie ist zwar jung und hübsch, aber einfach, höchst einfach, ja sogar höchst einfältig. Sie trägt einen schwarzen Schleier und das beliebte Uniformskleid einer armen Kostgängerin, und entfaltet nun alle die liebenswürdigen Albernheiten, die gewöhnlich in diesem Kleidchen stecken; sie schlägt die Augen nieder, sie trippelt höchst ehrbar und zimperlich einher, ihre Reden, oder vielmehr die Textworte ihres Gesanges, denn wir befinden uns ja in der Oper, lauten entsetzlich dumm. Sie hat einen unüberwindlichen Abscheu vor Bällen, Schauspielen, Lustbarkeiten aller Art, aber vorzüglich vor dem Männergeschlechte, und wiederum vorzüglich vor dem jungen Männergeschlechte, oder den jungen schlechten Männern, was so ziemlich auf eines hinausläuft. Welcher siebenzigjährige Podagrist vermöchte einer so fein und appetitlich zubereiteten Lockspeise zu widerstehen?

„Vortrefflich!“ ruft der entzückte Pasquale; „das ist, was wir brauchen!“

Und, bardautz! wird der Ehecontract unterzeichnet, und Pasquale ist auf dem Gipfel des Glücks. Aber, wer hätte es wohl geahnet? flugs nach Unterzeichnung des Contracts läßt die schöne Norina ihre Maske fallen. Gang, Haltung, Sprache, Alles wird anders an ihr. Die schlanke Taille entpuppt sich, das Köpfchen richtet sich stolz auf, das Auge schießt Blitze, ihre Rede wird kurz und befehlend. Sie sagt, oder singt vielmehr: ich will! und, sonderbar, was sie will, ist jedesmal das Gegentheil von dem, was der alte Herr Gemahl will.

Ein glänzendes, höchst modernes Ameublement wird angeschafft, Lakaien, Diener, Jäger, Köche in Dienst genommen – – – Haben wir den verehrten Lesern nicht schon ein Wörtchen zugeflüstert, daß Don Pasquale unmenschlich reich sei? Ei ja wohl. Nun so werden die verehrten Leser auch wohl schon eine leise Ahnung haben, daß Don Pasquale unmenschlich geizig ist, denn das sind ja unerläßliche Eigenschaften aller derartigen Comödien-Onkels, warum nicht auch eines neuen alten Opern-Onkels? – Nun gut: so wird man sich auch Pasquale’s Schrecken vorstellen

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_03.pdf/12&oldid=- (Version vom 7.1.2019)