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Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843


Das Jubelfest der Schul-Pforta.
II.

Wenn wir in unsrer ersten Mittheilung mit gebührendem Lobe der großen Anhänglichkeit gedacht haben, welche die früheren Schüler der Pforta gegen ihre Pflegerin und Erzieherin in einem treuen Herzen bewahren, so hat sich diese auf das Erfreulichste in den Tagen des Jubiläums vom 20. – 23. Mai kund gegeben. Es waren ihrer an 400 – und darunter manche aus weit entfernter Gegend – herbeigekommen, um noch einmal der Pforta den Tribut der Dankbarkeit darzubringen, noch einmal die Lehrer zu begrüßen, denen sie sich für innig verpflichtet halten, noch einmal die Grabstätten der theuern Männer zu besuchen, die bereits seit Jahren zur ewigen Ruhe eingegangen sind, und noch einmal sich mit den Freunden ihrer Jugend zu sehn und auszusprechen. Daher war es ein schöner, erhebender Anblick, als von Kosen her die lange Reihe der frühern Pförtner einzog, eingeholt von den jetzigen Zöglingen der Anstalt und bewillkommnet von zwei, dazu abgesendeten Lehrern der Anstalt, welche die beiden Aeltesten, den acht und achtzigjährigen Pastor Braues und den um einige Jahre jüngern Superintendent Erler, in ihre Mitte genommen hatten. Aber auch die Pforta hatte sich für so werthe Gäste festlich geschmückt. Ein Ehrenbogen, mit den preußischen und sächsischen Fahnen verziert, empfing sie am Thore, alle Häuser prangten mit Laubgewinden, die Kirche war gleichfalls mit frischem Grün behängt, kurz Alles hatte ein heiteres Ansehen. Schon am Vorabend des Festes erscholl im Schulgarten von kräftigen Stimmen das lateinische Porta salve – vom Prof. Nobbe aus Leipzig –; im Festzuge am Haupttage wandelten Männer von allen Arten und Ständen traulich neben einander, die Wohnungen der Lehrer wurden nicht leer von Begrüßenden, alle Plätze in der Pforta wurden besucht und mancher Jugenderinnerung gedacht, die Rudelsburg, Kösen, der Wald sah überall fröhliche Menschen, die nichts anderes wollten, als heitre Tage der Vergangenheit in ihrem Gedächtnisse auffrischen. Am lautesten war die Fröhlichkeit der Hunderte von alten Schülern an den Mittagstafeln in der geräumigen, geschmackvollen Festhalle, die für diese Tage im Schulgarten

Die Festhalle in Schul-Pforta.

erbaut worden war. Hier ertönten unzählige Trinksprüche auf die Begebenheiten und Männer einer frühern Zeit, Ilgen, Lange, John wurden gefeiert, aber auch der gegenwärtigen Lehrer ward in Liebe und Achtung gedacht. Fröhliche Lieder wurden gesungen, viele Vorträge von der Rednerbühne herab in deutscher und lateinischer Sprache, in Prosa und in Versen gehalten, aber an beiden Tagen verklang mancher Spruch oder wurde nur von einem kleinen Kreise vernommen, weil der Jubel zu groß war und die Fröhlichkeit schrankenlos waltete. Aber keine Unziemlichkeit störte die Freude, eben so wenig an den Abendtafeln, wo bis spät in die Nacht hinein die fröhlichen Stimmen sich vernehmen ließen. Und wie sich Alles so schön hier vermittelte, das Alte mit dem Neuen, so fanden auch die Trinksprüche von Nicht-Pförtnern lauten Anklang, so der des Rectors Kirchner auf den König von Preußen, der, selbst an persönlicher Erscheinung behindert, den Alumnen eine schöne Fahne mit dem Wappen seines Reiches und der Pforta geschenkt hatte; der des Ministers Eichhorn auf das Gedeihen der Pforta; der des Ober-Präsidenten Flottwell auf den Kurfürsten Moritz und das sächsische Fürstenhaus, wofür ihm Superintendent Großmann den Dank der Sachsen aussprach, den am späten Abend noch eine Anzahl sächsischer Unterthanen wiederholte. Alle Trinksprüche hier aufzuzählen würde unmöglich sein. Allein die Anhänglichkeit der alten Pförtner hatte sich auch in vielen Festgedichten und werthvollen Gaben bethätigt. Unter den erstern nennen wir das griechische Gedicht von Freitag – Archidiakonus in Meißen –, die lateinischen von Nobbe, Naumann und Crain, die deutschen von Wunder, Schmidt – Conrector in Naumburg –, Schmidt – Justizrath in Berlin –, Theodor Kind; unter den letztern waren reiche Geschenke an Büchern, sowohl von Werken alter Pförtner, als von solchen Schriften eines Ehrenberg, Schneider, Döderlein, Kirchner und Andrer, welche der Pforte dedicirt waren. Mit welcher Theilnahme auch andere Männer und Corporationen dieser Tage gedacht hatten, bewiesen die Gratulations-Epistel von Fr. Jacobs und die Zuschrift von Gottfr. Hermann, beide in lateinischer Sprache; außer ihnen die Votiv-Tafeln von Meißen, Grimma, Zeitz, Weimar, Eisenach, Wittenberg, die Glückwünschungsschreiben und Abhandlungen der Gymnasien zu Halle, Naumburg, Gotha, Erfurt, Ilfeld, Plauen, Leipzig – Nicolaischule –, Rosleben und Magdeburg.

Was nun die Ordnung der Festtage selbst anbetrifft, so fand am 20. Nachmittags, nachdem das Fest mit allen Glocken eingeläutet war, die Absingung eines geistlichen Gesanges im Schulgarten Statt, dann die musikalische Vorfeier, wo einige Stücke aus der Fest-Cantate Herm. Kirchner’s, gleichfalls eines Pförtners, aufgeführt wurden. Das Abendgebet dieses Tages war der Erinnerung an die Verstorbenen gewidmet. Am Haupttage, am 21., ertönte, wie auch am folgenden Tage, feierliche Musik vom Balkon der Kirche. Dann zog die ganze Versammlung, zwischen 7–800 Personen, feierlich in die Kirche, wo der Geistliche, Inspector Niese, predigte. Eine Stunde nachher kam man wieder zusammen, um die lateinische Säcular-Rede des Rectors Dr. Kirchner und ein von ihm verfertigtes Carmen Saeculare anzuhören. Darauf war um 2 Uhr das Festmahl, nachdem zuvor viele Anwesende der festlichen Bewirthung der Alumnen beigewohnt hatten. Am Abend waren der Schulgarten und die Höfe der Anstalt mit farbigen Lampen beleuchtet.

Der Morgen des 22. Mai war zum Schul- und Redeactus bestimmt. Zuerst sprach Prof. Wolff, dann traten achtzehn Schüler aus Ober-Secunda und Prima auf und hielten selbstverfertigte Vorträge in deutscher und lateinischer Sprache, in Prosa und in Versen, zur sichtlichen Zufriedenheit der Versammlung. Nun erfolgte die Ertheilung von Prämien, dies Mal in größerer Anzahl, weil auch das Fest ein größeres war, und der Medaillen, welche für diesen Tag in Berlin von Loos geprägt worden waren. Diese Medaille zeigt auf der einen Seite das Bild des Kurfürsten Moritz, auf der andern eine lateinische Inschrift. Ein feierliches Gebet des Rectors und der Gesang des Klopstock’schen Vaterunsers beschloß die Festreden, und um 6 Uhr des Abends wurde die Beendigung des Festes durch das Geläute aller Glocken verkündigt; Alles trat im Schulgarten zusammen und sang unter Begleitung von Blasinstrumenten: „Nun danket Alle Gott.“ Am Abend zogen die gegenwärtigen Schüler mit Fackeln vom Berge herab durch die Pforte und warfen dieselben im Schulgarten zusammen, unter fröhlichem Gesange.

Zur Nachfeier des Jubiläums war am 23. Mai der Frühlingsbergtag bestimmt. Der gewöhnliche Zug auf die Höhe des Knabenberges erhielt dieses Mal seine besondere Verherrlichung durch die Ehrenfahne und durch die große Anzahl alter Pförtner, die sich demselben anschlossen. Auf dem Berge war eine außerordentliche Menge von Menschen aus der Umgegend zusammengeströmt, Zelte waren aufgeschlagen, Erfrischungen aller Art wurden feilgeboten, ein buntes Gewimmel drängte sich durcheinander und nicht Allen gelang es, den kunstmäßigen Tanz der Alumnen mit anzuschauen, den der Tanzlehrer Roller eingeübt hatte. Auch die älteren Pförtner erfreuten sich an den Spielen ihrer Jugend und sammelten sich zuletzt um die gegenwärtigen Schüler, an die der Superintendent Großmann und der Professor Döderlein, beide alte Pförtner, begeisternde Worte des Abschieds richteten. Gegen 7 Uhr verließen Alle den Berg, der Zug ging wieder hinab in die Pforta und ein vielstimmiges „Unsern Eingang segne Gott“ im Primanergarten machte einen sehr ergreifenden Schluß des Bergtages, dessen Abend durch einen Ball der Alumnen in der Festhalle verherrlicht wurde, zu dem sich eine große Zahl von Frauen u. Jungfrauen eingefunden hatte – auch hier war Alles heiter und vergnügt.

Das Gedächtniß dieser Tage wird nicht blos in Pforta unvergeßlich bleiben, sondern es wird auch fortleben in der Erinnerung so vieler wackeren und tüchtigen Männer, welche der Drang ihres Herzens in die Mauern der altberühmten Pflegerin gründlicher Kunst und Wissenschaft geführt hatte. Mögen ihr diese Güter auch im neuen Jahrhunderte erhalten bleiben!

77.

Don Pasquale.

Während des letzten Winterhalbjahres ist das Repertoire der Pariser italienischen Oper nur um zwei Novitäten reicher geworden. Beide sind von Donizetti, dem unermüdlichen Hauptopernlieferanten für die italienische Oper aller Länder des civilisirten und noch zu civilisirenden Europa’s. Linda di Chamouni ist von ihrem jüngeren Bruder, dem sehr ehrenwerthen Herrn Pasquale, complet aus dem Felde geschlagen worden, und wir halten es demnach für nothwendig, dieses verhätschelte Schooßkind der Pariser Dilettanti etwas genauer ins Auge zu fassen.

Don Pasquale trägt eine blonde Perrücke, einen kastanienbraunen Frack mit breiten Schößen, Pantalons mit Fußstrippen, lackirte Stiefelchen – kurz die neueste Mode von 1842, dem Jahre seiner künstlerischen Geburt; allein trotz dieser fashionablen Toilette, trotz seiner modernen Haltung erkennen wir in dem Schalk doch den Schatten eines längst Abgestorbenen, den man vergessen hat zu beerdigen, und der nach einem halben Jahrhundert wie ein verdammter Geist über alle Theater Italiens einherwandelt. Ehemals nannte er sich Ser Marc Antonio, und hatte sich unter diesem Namen aller Orten viele Gönner erworben. Seine Lebensgeschichte ist kurz und erbaulich, und nichts weniger als originell. – Er ist unmenschlich reich; aber drei furchtbare, unerbittliche Feinde sitzen ihm

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_03.pdf/11&oldid=- (Version vom 7.1.2019)