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Illustrirte Zeitung, Nr. 2 vom 8. Juli 1843

man auf 40 Mill. Fr. an. Alle Documente, Archive, Obligationen etc. sind vernichtet. Der Hauptgewerbzweig des Landes ist unterbrochen. Von 56 Zuckerfabriken in der Nähe von Pointe à Pitre blieben nur 3 stehen. Das reife Zuckerrohr in den Pflanzungen verdarb. Auch auf dem Lande richtete das Erdbeben großen Schaden an. Mehre Ortschaften wurden dort ebenfalls ganz oder theilweise zerstört. Ungeheure Erdspalten thaten sich auf und spieen Wasserströme, Flammen und Asche.

Plan von Pointe à Pitre. Entworfen von Lemonnier la Croix.

1. Kirche. – 2. Hospital. – 3. Gericht. – 4. Schauspielhaus. – 5. Kaserne der Marineinfanterie. – 6. Gefängniß. – 7. Freihafen. – 8. Zollhaus. – 9. Zeughaus. – 10. Gendameriekaserne. – 11. Flottenbureau. – 12. Spritzenhaus. – 13. Mairie. – 14. Zahlamt. – 15. Fleischbänke. – 16. Fischmarkt. – 17. Wache. – 18. Polizeibureau. – 19. Verwaltung des Innern. – 20. Pfarrhaus.

„Wie dunkel die Schilderung unsers Unglücks auch gefärbt sein mag“, schreibt ein Geistlicher auf Guadeloupe einem Amtsgenossen in Paris, „stets wird sie noch weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben. Während wir bei einem Pfarrer in Pointe à Pitre, den ich besuchte, beim Frühstück waren, vernahmen wir ein Geräusch, ähnlich dem Wirbeln vieler Tambours, oder als ob Karren um das Haus führen. Es war das unterirdische Tosen des Erdbebens, das sogleich drei Viertel der Stadt zertrümmerte. Aber jetzt welch’ ein gräßliches Schauspiel! Noch lebende Wesen, in Stücken zerrissen, nach Hülfe rufend, wenn sie es vermochten, oder um den Gnadenstoß bittend; Tausende von Stimmen um Erbarmen flehend; der Staub all’ der Trümmer die Augen blendend und die Stimme erstickend; überall das Bild des Todes, der Verzweiflung! Nie wird die menschliche Sprache solche Scenen zu schildern vermögen! Und dies war erst der Anfang unserer Leiden; uns stand noch größeres Unglück bevor. Es brach Feuer aus, griff, von einem starken Winde angefacht, rasch um sich, und verzehrte Alles, was das Erdbeben übrig gelassen hatte. Binnen zwei Stunden hatte es seine Verheerungen überall verbreitet, neue Opfer gefordert, den frühern Beistand zu leisten verhindert und die Trümmer in einen Aschenhaufen verwandelt. Die Feuerspritzen waren von einstürzenden Häusern zerschlagen, und während die Fluthen des Oceans zu unsern Füßen strömten, hatten wir nicht ein einziges Gefäß, sie zu schöpfen und auf die verzehrenden Flammen zu gießen. Fast alle Kirchen auf der ganzen Insel sind eingestürzt etc.“ In einem andern Schreiben heißt es: „Dieses furchtbare Ereigniß erinnert an das Unglück auf der Versailler Eisenbahn. Allein es ist viel größer und hat außerdem den Todeskampf der unter den Trümmern eingschlossenen Opfer zum Voraus.“

Ueberall auf den Antillen rührte Guadeloupe’s Unglück Aller Herzen, regte es allgemeine Theilnahme an. Die Insel Martinique, welche vor vier Jahren ebenfalls von einem Erdbeben furchtbar heimgesucht worden, fühlte den Boden unter den Füßen zittern und ahnete sogleich das ungeheure Unglück. Mit Ungeduld, ängstlich wartete man auf Nachrichten. Endlich erscheint ein Schiff. Seine Flagge zeigt Trauer. Sogleich bilden sich Hülfsvereine; Geld, Brot, Kleider, Geräthe, Alles wird dargeboten, Alles wird gesammelt, und gleich geht ein erstes Schiff mit diesen ersten Hülfeleistungen ab.

Die Rhede von Pointe à Pitre, mit der Ansicht des Schwefelberges und einem Theile der Stadt vor dem Erdbeben. (Nach einer Zeichnung von Garneray.)

In allen Colonien, die Frankreich in Westindien besitzt,

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 2 vom 8. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_02.pdf/5&oldid=- (Version vom 21.5.2018)