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Born erwiderte mit einem Achselzucken:

„Wenn Reinisch unter den boshaften Individuen, welche die Dreistigkeit haben, sich von der Sonne bescheinen zu lassen, nicht eins der boshaftesten ist, so sollen die Schauspieler bei der ersten Aufführung des ersten Stücks, das ich auf die Bühne bringe, mit faulen Aepfeln beworfen werden; übrigens kann er seinen Giftzahn nur auch an Arvenberg probiren, denn ich glaube gehört zu haben, daß er ebenfalls eingeladen ist.“

„Der geehrte Herr Vorredner hat sehr recht,“ gab Arvenberg zurück, „aber es hat sich dabei gar nicht um Fräulein Tatjana Walujeff, sondern um – unsere Heldenmutter gehandelt. Ihr wißt, daß ich dieselbe für eine ganz vorzügliche Darstellerin halte, die leider viel zu selten beschäftigt wird, und ich habe neulich gegen unsere aufmerksame Russin so beiläufig den Wunsch geäußert, die persönliche Bekanntschaft der Dame zu machen, natürlich ohne daß dieselbe um mein Rezensenthum wüßte. Sie erwiderte nichts darauf, aber nach einigen Tagen schon erhielt ich eine Einladung zum Abendessen, mit dem Postskriptum: ‚Frau Ritter, die wir öfters bei uns sehen, wird Ihre Nachbarin sein und ahnt nicht, daß Sie je eine Zeile über Theatervorstellungen geschrieben haben.‘ Das war doch gewiß äußerst liebenswürdig, wobei ich indessen dahin gestellt sein lassen will, ob mein Wunsch ebenso rasch erfüllt worden wäre, wenn es sich um eine erste Salonliebhaberin oder ein kokette Soubrette gehandelt hätte, statt um eine Frau von annähernd vierzig Jahren und Mutter von sechs Kindern.“

„Schade, daß ich mich nicht besser mit eurem Ideal gestellt habe,“ unterbrach Reinisch; „ich würde sonst einmal andeuten, daß ich gar zu gern ein Bärenfell besäße – wahrscheinlich dauert es keine vier Wochen, so würde ein ganzer Bär vor meiner Hausthür abgeladen, denn sie telegraphirte doch sofort an ein halbes Dutzend ihrer heimischen Verehrer: ‚Man liefere mir binnen acht Tagen einen todten Bären hierher!‘ Wie war’s denn übrigens, Arvenberg?“

„Ungezwungen und doch vornehm, ich dächte das wäre selbstverständlich. Ich habe mich aber fast ausschließlich mit Frau Ritter unterhalten, die eine sehr interessante und kluge Frau ist, und Fräulein Tatjana war so ziemlich auf einen gänzlich verwagnerten Kapellmeister angewiesen, der in hohem Grade für sie zu schwärmen scheint, vielleicht ebenso sehr wie für den schweren Bordeaux, den man bei Walujeff trinkt. Er nennt sie nur seine Walkyre und treibt allerlei verliebte Narrenspossen mit ihr – es war bald nicht mehr schön und ich habe zuletzt gar nicht mehr hingehört –“

„Was wir unbeschworen glauben,“ fügt Wendt hinzu. „Da seht nur einmal den Philosophen! Ewig sitzt er auf dem hohen Pferde und dann bekommt er verliebte ‚Beklemmungen’, wenn ein harmloser Kapellmeister im kaffeebraunen Sammtjacket der Dame seines Herzens in seiner possenhaft übertriebenen Weise ein paar Komplimente schneidet. Grau, lieber Freund, ist alle Theorie!“

Arvenberg erwiderte nichts, sondern lächelte nur, ironisch und überlegen – von der ‚Dame seines Herzens‘ hätte Wendt nicht anfangen dürfen, wenn sein Angriff ernst genommen werden sollte. Reinisch überhob ihn auch der Antwort, indem er ziemlich sarkastisch bemerkte:

„Aus alledem geht hervor, daß Wendt, wenn er nicht ein ausgemachter, siebenmal destillirter Heuchler ist, anfängt, hinten hinunter zu fallen; er hat ja nie etwas zu erzählen und scheint seinem Charakter als ‚Liebhaber‘ das schmückende Beiwort ‚a. D.‘ hinzufügen zu dürfen.“

Glaubt nur nicht, daß ich mich gräme,“ erwiderte der Jurist. „Das bin ich nun nachgerade gewöhnt geworden; erscheinen neue Figuren auf der Bildfläche, so sind die alten wie vergessen. Aber meine Zeit kommt auch wieder; sie besinnt sich schon wieder auf mich und dann ist sie ein paar Tage lang ganz bezaubernd, und ich denke, ich bin im siebenten Himmel, bis ihr der Zufall irgend einen ‚interessanten‘ Mann in die Quere führt. So geht’s in einem fort; man könnte die Sache bildlich so darstellen, als gestatte sie mir heute, die Hälfte der Kirsche, in die sie mit den Perlenzähnchen gebissen hat, von ihren Lippen zu nehmen und als vergönne sie das morgen einem andern und schnipse mir die Kerne ins Gesicht. Aber man kann ihr nicht gram sein, man muß sie immer wieder rasend gern haben, denn schließlich ist doch alles nur Uebermuth und zwar der graziöseste, den man sich denken kann. Ich lasse nichts auf sie kommen, wie toll sie’s auch treiben mag!“

„Unheilbar also!“ konstatirte Reinisch; „unheilbar und dazu prädestinirt, von schönen Händen gezaust und gehudelt zu werden. Ein Glück für ihn, daß nicht alle Frauen so grausam sind und daß es viele gibt, deren sanftes Gemüth zum Erbarmen neigt – er hätte ja sonst keine ruhige Stunde mehr. Aber nun laßt

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Idealisten. , Leipzig 1880, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idealisten_50_52.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)