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Ehe wir weiter gehen, verdient wohl Faulhansens gefährliche Physiognomie eine kleine Erläuterung aus der Geschichte. Die berühmte Madam Piozzi, die unsere Leser aus ihren Reisen, oder auch vielleicht aus Boswell’s Leben des D. Johnson kennen werden, worin sie als damalige Madam Thrale und Freundin des Doctors, eine nicht unbedeutende Rolle spielt, sagt in jenen Reisen: der Kaiser Caracalla sehe auf allen Denkmälern, die man von ihm habe, dem Thomas Idle beim Hogarth, das ist, unserem Faulhans, vollkommen ähnlich, und fügt die Frage hinzu: warum sollte sich auch nicht der Pöbel in allen Ständen ähnlich sehen? Es verlohnt sich also wohl der Mühe, hier mit wenigen Worten die Data anzugeben, die nöthig sind, in der Folge den Taugenichts auf dem Throne mit dem in der Werkstätte zu vergleichen, und so die Natur und Madam Piozzi’s Urtheil zu rechtfertigen. Es ist unglaublich, was für ein Licht sich die Geschichten dieser beiden Patronen einander zuwerfen. Für den redlichen Gutkind irgend einen Titus[1] in der Geschichte aufzusuchen, wäre wohl ganz unnöthig. Diese finden die Leser zu Dutzenden in jedem Jahrhundert.

Caracalla ward im Jahr 188 nach unserer Zeitrechnung, zwar von blinden Heiden geboren, hatte aber, nach Tertullians Bericht, das Glück, sehr früh christliche Ammen-Milch zu erhalten. Diese soll, wie glaubwürdige Zeugen versichern, ganz ungemein auf die Natur des Kindes gewirkt haben[2]. Das Knäbchen wurde liebreich, gesprächig, mitleidig, und machte der Milch Ehre. Dieses dauerte aber leider nur so lange, bis es den spirituösen Geistes-Leckereien, die ihm von einigen


  1. A la Titus und à la Caracella, nennt man jetzt in Paris, und also nächstens in der ganzen Welt, zwei Arten von Frisuren. Nach dem Urtheile eines Kenners, den ich befragt habe, sind es gerade die, womit unser Künstler hier seine beiden Helden geziert hat. Caracalla selbst hatte zu Rom eine Art Kleider eingeführt, die man Caracallen nannte. S. Tillemont Hist. des Empereurs. Paris 1720. 4to. T. III. S. 105.
  2. Ebendas. S. 89.