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was ist der Mensch, oder eigentlich, was ist die Welt? – Aber weißt du, daß du im Tollhause sitzest? rief einst ein Mann einem Rasenden, den er bekehren wollte, hitzig zu, worauf ihn dieser mit größter Gelassenheit ansah und fragte: „aber bist du gewiß, daß Du in keinem sitzest?“ Der Fremde besann sich und schwieg, der Rasende schwieg auch, hatte sich aber vermuthlich lange vorher bedacht. Was dieser nachher that, ist nicht bekannt. Der Fremde aber, sagt man, soll, als er aus dem Tollhause wieder in die Welt trat, zwischen beiden, statt der scharfen Grenze, einen gewissen Strich neutralen Landes angenommen, und sich sein ganzes Leben hindurch vor einer Philosophie gehütet haben, die eigentlich bloß für die Neutralitäts-Lande gehört.

Der Glaube da mit dem dreifachen Kreuze und der einfachen Krone (so drückt sich Hogarth aus, wenn er sagen will, mit der dreifachen Krone und dem einfachen Kreuze) singt seine Mette mit seinem Blöck-Mäulchen, ohne daß man davon auf den benachbarten Systemen eine Sylbe hört. Die Hoffnung, mit dem Notenbuch auf dem Kopfe, geigt fort, und die melancholische Liebe, mit ihrem schweren Thema an einem Bändchen vor der Brust, träumt ihr Lamento fort. Gegen letztere bellt der Hund, wie sonst gegen den Schutzheiligen des Hauses, den Mond, und sie hört es so wenig als der Mond. Der Strohkranz, mit dem sich der Wahnsinn sonst so gern krönt, geht hier als Strick um den Hals, vielleicht als erster bloß poetischer Versuch, die Liebe endlich zu krönen. Ein Mund mit einem solchen Schlosse spricht nicht leicht mehr; indessen haben die gefalteten Hände noch heute den theuren Namen in den Baum geschnitten, der aus dem Hain herabstieg, um hier als Treppen-Geländer zu dienen: charming Betty Carelessreizendes Lieschen Leichtsinn.“ Es ist betrübt freilich! Wie kam aber auch in aller Welt ein solcher Mund, eine solche Stirn, und eine solche Anlage zur Hohläugigkeit an den Leichtsinn[1], und der alte Schäfer


  1. Man sagt, Hogarth habe die Idee zu diesem bedeutungsvollen Kopfe und dem gegenüber in Nro. 54, von den vortrefflichen Bildsäulen genommen, die über dem Portale liegen, das in den Hof von Bedlam führt. Sie sind von einem deutschen Bildhauer, Cajus Gabriel Kyber, dem Vater des bekannten Dichters Colley Cibber, gearbeitet. Pope, dessen Dunciade dieser Schriftsteller leider! seinen Namen größtentheils zu danken hat, nennt daher (Dunc. Book I, v. 32) diese Bildsäulen des großen Cibbers hirnlose Brüder (brainless brothers).