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die Hofdamen sein mögen? Sie empfangen so eben Audienz, und zugleich aus der Ferne eine Weihe, die sie sehr viel besser nehmen, als sie gemeint ist. Die eine schmiegt sich an die andere an, und findet sich durch diese Unterstützung stark genug, anzusehen, was sie für sich allein nicht einmal zu denken gewagt hätte. Aber im Ernste, was wollen diese Damen hier? Hier bleiben vielleicht? oder, wie Sarah Young, die Nackenden kleiden? Oder die Nackenden bloß sehen, und dann so allerliebst thun, als sähe man sie nicht? Gewiß die Mamsellchen müssen viel Freiheit haben, die sich bis hieher verlieren können, und viel Ungezogenheit, wenn sie sich wirklich so weit verlieren. Daher hat sie auch Hogarth meisterhaft mitten unter das gezeichnet, was hier frei herumgehen darf. Papa und Mama wissen kein Wort davon; das mögen sich Papa und Mama merken.

Was auf eigentlichen Kirchhöfen den Todten gewöhnlich nur des Nachts verstattet ist, verstattet man den hier Beigesetzten unter gewissen Umständen auch, aber bloß am Tage, nämlich die Freiheit, aus ihren Gräbern hervorgehen und spuken zu dürfen. Zu arg müssen sie es aber nicht machen, sonst legt man sie, wie schon erinnert worden ist, in Ketten, gerade so wie man jene, wenn sie sich nicht wollen sagen lassen, in Säcke packt und in den Rhein trägt. Von diesen Tag-Gespenstern gibt uns Hogarth hier, die beiden Mamsellen abgerechnet, nur sechs. Sehr wenig fürwahr für einen solchen Geister-Seher und Zeichner. Es würde ihm kaum zu vergeben sein, wenn er nicht in seinen übrigen Werken den Mangel reichlich ersetzt, und so manchen Bedlamiten in partibus, oder der seine Stelle hier durch einen Vicarius versehen läßt, gezeichnet hätte. An der Treppe da zur Linken spukt etwas ein Trio, fast so was wie Glaube, Liebe und Hoffnung in Bedlam. Sie scheinen zusammen zu gehören, und doch können diese Köpfe wohl weiter auseinander sein, als immer drei Fixsterne, die eben einen solchen Triangel formirten. Es ist Alles bloß scheinbar. Jeder ist eine Welt für sich, wovon keine der andern leuchtet und keine die andere verfinstert; jede hat ihr eigenes Licht. Wer noch nicht weiß, daß der Kopf die Welt macht, und nicht die Welt den Kopf, der sehe hierher. Gütiger Himmel!