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zumal die eines sanften, aber stark fühlenden weiblichen Herzens, tilgt, wenn sie je getilgt werden kann, welches ich kaum glaube, nur allein die Zeit in sehr langen Terminen, ihr Schicksal sei übrigens, welches es wolle. Worin liegt also hier das Unnatürliche? Es würde der menschlichen Natur wenig Ehre machen, wenn eine solche Liebe unnatürlich wäre. Aber das Tadelhafte? Auch dieses liegt denn doch wieder nur in der Uebertretung von kalten Lebens-Regeln, von denen eigentlich das Herz nichts weiß. Es wäre eine böse Welt, worin nicht zuweilen noch so gefehlt werden könnte. Aber freilich eine noch schlimmere, in welcher listige Nachäffung des rühmlichen Vergehens, eben die Vergebung oder gar das Mitleid fände, auf die bloß das Natur-Original Anspruch machen kann. So hat es leider! die Kunst in mehr als einem Punkt dem Menschen fast verfänglich gemacht, natürlich zu sein. Ueberdas muß man hier bedenken, daß Sarah Young, ein gutmüthiges Naturgeschöpf, nicht von dem Stande ist, dem man überall früh genug ein gewisses Exerciren mit der Tugend beibringt, daß sich zu dieser Ausübung immer verhält wie Fertigkeit auf der Parade zu Muth und Tapferkeit im Felde. Aller Werth der erstern (und sie hat allerdings keinen geringen) beruht doch am Ende allein auf der Möglichkeit, die letztere unterstützen, oder hier und da ihren Mangel praeter propter ersetzen zu können. Ohne diese Hinsicht wäre alles leere Maschinerie. Wenn Hr. Gilpin einmal vor solchen Menschen gepredigt hätte: Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht besucht, wie würde er eine Zuhörerin beurtheilt haben, und beurtheilt haben müssen, die sich, nach der Predigt, so herzlich unvorsichtig in das Fleet und in Bedlam geschlichen hätte, wie Sarah Young, ohne alle Hoffnung von zeitlichem Gewinn? Die Antwort ist, dünkt mich, sehr leicht. – Einer der Krankenwärter, der freilich wohl die Verbindung nicht ganz einsehen mag, scheint vom Leiden des Mädchens gerührt. Er sucht ihr Gesicht von Rakewelln auf eine Art zu entfernen, die seinem Gefühl Ehre macht. Es ist angenehm zu sehen, daß die Hände des Mannes in dem harten Dienst, für den sie besoldet werden, diese Stellungen noch nicht verlernt haben.