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Der Weg der Buhlerin.


(The Harlot’s Progress.)




Sechstes Blatt.


Hier liegt sie nun endlich, unsere Heldin, ruhig und still im Sarge, sicher vor Sir John Gonsons Trabanten, Herrn M. Thwackums Hieben und – Dr. Misaubins Pillen. Was für eine kräftige Schutzwehr ein Sargdeckel nicht ist! O! sie war noch immer glücklich, denn da, wo sie ihre Nägelchen zum Sarge schmiedete, werden auch nicht selten die Nägel zum Galgen geschmiedet. Auf dem Deckel steht:

M. Hackabout died Sept. 3d 1731, aged 23.
M. H. gestorben den 3. Sept.[1] 1731, alt 23 Jahr.


  1. Daß Hogarth eine Ursache gehabt habe, unter allen Tagen des Kalenders gerade den 3. September zum Sterbetage zu wählen, wird wohl Niemand bezweifeln, der nur einigermaßen mit diesem sonderbaren Genie bekannt ist. Vielleicht ist es ein Hieb, den nur allein die Familie merkte, die er traf. Im Gentleman’s Magazine Sept. 1731, S. 403 steht: am 3. Sept. starb Miß Betty Fish zu Enfield. Dieses führe ich an, nicht als den Schlüssel zu Hogarths Satyre, sondern als eine Erläuterung meines Gedankens. Eine solche Schalkheit wäre ganz in seiner Manier. Ich habe sonst nichts finden können, vermuthlich findet es aber sonst Jemand sehr leicht. Im julianischen Kalender heißt dieser Tag Mansuetus. Hieraus wird die größte Weissagerin aus dem Kaffee-Satz nichts machen können. Im gregorianischen freilich heißt er Euphemia. Dieses wäre noch so was von einem Sterbetag für eine tugendbelobte Jungfer. Aber er läßt sich nicht wohl hierherziehen. Auch enthalten die englischen Kalender, die ich wenigstens nachsehen kann, nur wenige Namen dieser Art, und der von Euphemia ist nicht darunter. Das große Feuer in London (1666), für dessen Jahrtag man gewöhnlich den 2. September angibt, setzt wenigstens Hume auf den 3ten. Aber da hätte Hogarth sicherlich den Löschtag des Brandes gewählt. – Da wir einmal an dem 3. September sind, so können wir unmöglich mit Stillschweigen übergehen, daß dieses der durch Cromwell so berüchtigte, von ihm selbst belobte, glückliche Tag ist, an dem er seine beiden großen Siege, den bei Dunbar (1650) und bei Worcester (1651) erfocht; an dem ferner sein erstes, so merkwürdiges Parlament (1654) zusammen kam, und an dem er, (der Natur dieses Schwärmers, der, nunmehr kränkelnd, seine Einbildungen gegen sich selbst zu brauchen anfing, sehr angemessen) – endlich starb. Der Tag, der immer schon merkwürdig genug war, ist es noch mehr durch den Sturm geworden, der bekanntlich an demselben wüthete, und den Waller in seiner berühmten Ode so vortrefflich, nur etwas sehr hof-poëtice, genützt hat. Daß Hogarth hieran gedacht habe, ist nicht wahrscheinlich, denn daß eine Hure an dem Tage stirbt, an welchem ein Usurpator auch starb, ist nichts Besonderes. Wäre aber Hogarth ein Deutscher gewesen, so gäbe es noch einen Ausweg, und das wäre der desperate Einfall, das deutsche Wort Nickel von Nikolaus herzuleiten, und dieses Nikolaus natürlich von νικη und λαος (Sieg und Volk). Denn im Besiegen und Betriegen dieser nützlichen Menschen-Classe kommen wirklich der sel. Cromwell und die sel. Molly etwas überein.