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Künstler in Vergleich mit Milton, welcher sein schlechtes wiedergewonnenes Paradies dem unsterblichen Gedichte des verlorenen vorzog.

In ähnlicher Weise urtheilten im Allgemeinen die Zeitgenossen. So erschien eine Caricatur auf das Bild mit folgender derber Unterschrift bei einem englischen Wortspiel: A Harlot blubbering over a bullock’s heart by William Hog – art (eine Buhlerin, welche bei dem Herzen eines Stieres heult, von William . . . . .[1]. Hogarth muß wenigstens zum Theil die Mängel seines Gemäldes bemerkt haben, denn er veränderte es in einigen Punkten, indem er die blutigen Finger übermalte; im Ganzen aber blieb er bei seinem Vorurtheile, worin ihn die Angriffe Anderer noch mehr bestärkten, bis zu seinem Tode, denn er verordnete in seinem Testamente, das Bild solle unter dem Preise von 500 Pf. nicht verkauft werden, eine Bestimmung, die seine Erben übrigens nicht mehr beobachteten. Die Schmeichelei seiner Eigenliebe entschädigte ihn für den Tadel Anderer und für die Kränkung, daß ihm das Gemälde von dem Besteller (dem Grafen Großvenor) zurückgeschickt wurde. Er wollte sogar die Thorheit begehen, durch einen Kupferstich sich an das größere Publikum zu wenden, und an dessen Urtheil zu appelliren, als ihm der Tod noch fernere Kränkungen ersparte, die um so weniger ausgeblieben wären, da eine neue Unbesonnenheit die Erbitterung der Volksmasse gegen ihn erregt hatte. Der Subscriptionsschein zur Sigismunda war übrigens von ihm bereits entworfen. Es ist die Zeit, die Gemälde beräuchert (Time smoking a picture), ein Blatt, welches den oben angedeuteten Gedanken ausführen sollte, die Meister der alt-italienischen Schule würden nur wegen ihres Alterthums geschätzt.

Walpole’s Urtheil könnte vielleicht zu streng erscheinen[2], allein ein anderer Zeitgenosse des Dichters, welcher in anderer Hinsicht einen eben so hohen Rang in der Kunst einnahm, wie Hogarth selbst, und der außerdem durch Sanftmuth des Charakters, durch Billigkeitssinn und durch alle Eigenschaften ausgezeichnet war, welche den Gentleman bei den Briten zieren, Sir Joshua Reynolds[3], fällte folgendes Urtheil: Hogarth war bei allen außerordentlichen Talenten nicht mit jener Selbstkenntniß begabt, die ihm seine eigenen Mängel und die Grenzen andeutete, welche der Ausdehnung seiner Kräfte gesetzt waren. Nachdem dieser ausgezeichnete Künstler den größeren Theil seines Lebens in thätiger, geschäftiger und glücklicher Aufmerksamkeit auf die Lächerlichkeiten des Lebens verwandt hatte; nachdem er eine neue Art dramatischer Malerei erfunden, worin er wahrscheinlich unerreicht bleiben wird; nachdem er in seinem Geiste unzählige Materialien gesammelt hatte, um häusliche und Familien-Scenen des gewöhnlichen Lebens zu schildern, welche stets den Gegenstand seines Pinsels hätten bleiben sollen: – versuchte er sehr unvorsichtig, oder vielmehr übermüthig, den großen historischen Styl, wozu ihn seine früheren Gewohnheiten durchaus nicht vorbereitet hatten. Er war wirklich mit den Grundsätzen dieses Styls so vollkommen unbekannt,


  1. Hog – Schwein, und Art – Kunst.
  2. Man hat Walpole wegen dieses Urtheils getadelt, weil er es erst nach dem Tode des Künstlers drucken ließ. Auch bei Gelegenheit dieses Tadels kann man jedoch die Worte Byron’s anwenden, welcher, mit Rücksicht auf sich selbst, von dem Grafen Orford sagte: Es sei Mode, Horace Walpole aus drei Gründen zu tadeln, erstens, weil er Schriftsteller, zweitens, weil er Peer (Nobleman), und drittens, weil er Gentleman gewesen sei. Was letzteres Wort bedeutet, braucht man wohl in Deutschland jetzt nicht mehr zu erklären.
  3. Sir Joshua Reynolds Works 4th edition vol. II. p. 164.