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Von Charters vielleicht weggeworfen (denn bei dem hatten die Mädchen das Schicksal von Spielkarten an großen Pharao-Bänken; es war bald vorbei, aber dafür kamen sie auch für neu wieder an andere), hat sie nun ein reicher Sünder aus dem alten Testamente an sich geschachert. Sie erscheint hier als die Maitresse eines Juden aus dem portugiesischen Tempel. Er unterhält sie, wie man sieht, mit Judenpracht; alles ein wenig reich, ein wenig schwer, auch mitunter, so wie das Mädchen, ein wenig aus der zweiten Hand, aber immer unter Brüdern was werth. Doch hiervon in der Folge. Ehre dem Ehre gebührt. Molly Hackabout also voran.

Man vergleiche, um’s Himmels willen diese Figur mit dem Schnitzbilde auf dem ersten Blatte. Wie geschwind nicht aus Füßen Füßchen werden können, auf londonschem Glatteise! Dort sind sie, wie das – langsame – treue – schwere und gute Thier, das fette Möpschen alles parallel, gleichgültig für Ruhe und Bewegung. Hier, ob sie gleich sitzt, ist sie nicht das lebendige Bild der Mobilität? Das Windhündchen, wie aus Email geschmolzen, das auf drei Beinchen mehr schwebt, als steht, und die Kraft, die es nicht verlaufen kann, wenigstens verzittert; immer getheilt zwischen Luft und Erde? Und ihr Gesicht! Ist das Carikatur? – Wie? O! noch immer nennt man dich den Carikatur-Maler, guter Hogarth, dich Seelenmaler, aber tröste dich. Die dich so verkennen, sind sehr gewöhnliche Menschen. Ein griechisches Stein-Gesicht mit blinden Augäpfeln, nach irgend einem verheimlichten Müsterchen, aus Tuschschälchen mühsam zusammen zu lecken, verstandest Du wohl so gut als sie, und wie es hundert deiner Landsleute verstanden, die alle vergessen sind, während Du bleibst und bleiben wirst[1].


  1. Von Hogarths Künstler-Charakter wird umständlich in dessen Leben gehandelt werden. Die Bemerkung im Text trifft nicht den gefühlvollen Bewunderer und Nachahmer der Antike, oder der unsterblichen Werke Raphaels, Domenichino’s, Da Vinci’s, Guido’s u. s. w., sondern nur das Heer von Schönheits-Schwätzern und Sudlern, die ein ekelhafter Connaisseur-Schnupfen, entweder in Belvedere selbst gefangen, oder bloß von daher überliefert, für alle wahre Kenntniß von Kunst und menschlicher Natur auf immer verdorben hat.