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und unbrauchbar bisher verachtete[1], trat im Jahre 1753 mit einer Schrift vor das britische Publikum, welche die Theorie der Schönheit mit der Wellenlinie oder Curbe als Grundbedingung derselben erläutern sollte. Hogarth selbst setzte sich schon, während er das Buch schrieb, einer Menge von Verdrießlichkeiten aus. Da er selbst der Feder nicht mächtig war, mußte er seine Zuflucht zu Freunden nehmen, mit denen er fortwährend dadurch in Streit gerieth, daß er stets die Meinung hegte, jene seien nicht im Stande, seine Ideen vollkommen auszudrücken. Wie es heißt, befand er sich, so lange das Buch noch nicht vollendet war, in so gereizter Stimmung, daß seine Frau sich nicht wenig gefreut haben soll, als der letzte Bogen die Presse verließ.

Noch größeren Aerger verursachte ihm jedoch das Werk, als es erschienen war. Bei der Stellung, welche Hogarth damals einnahm, war es kein Wunder, wenn der größere Theil der Mitarbeiter an der periodischen Presse, sowie derjenigen Leute, welche die öffentliche Meinung, hinsichtlich der Kunst, durch ihr Urtheil leiteten, ihn wenigstens in einiger Hinsicht herabzusetzen suchten, eine Erscheinung, die sich bei allen höher gestellten Leuten von jeher zu wiederholen pflegt. Die Einen fanden seine Theorie durchaus unrichtig; Andere beschuldigten ihn des Plagiats, obgleich er selbst in der Vorrede erklärt hatte, er habe sich die Idee nach einem Ausspruche des Michel Angelo Buonarotti, den Lamozzo aufbewahrt hat, gebildet. Noch Andere machten ihm Mangel an Zusammenhang zum Vorwurf. Endlich konnte das Buch wegen des Stoffes nicht die allgemeine Popularität erlangen, welche der Verfasser erwartet hatte. Kurzum, Hogarth sah sich in mannigfacher Hinsicht getäuscht.

Betrachtet man jedoch das Ganze, so lassen sich verschiedene vortheilhafte Seiten auffinden. Eine philosophische Deduction über einen Begriff mit allen systematischen Folgen, wie man dies in Deutschland gewohnt ist, läßt sich schwerlich von einem Engländer und am allerwenigsten von einem Manne, wie Hogarth, erwarten, der von Jugend auf durch practisches Leben gebildet, sich durchaus nicht an abstracte Ideen gewöhnen konnte. Weßhalb soll aber eine solche nicht auch in geometrischer Form vorgestellt werden, da sie ohnedem durch ihre Allgemeinheit verschiedene Vorstellungsarten zuläßt? Hogarth hat wenigstens durch eine Menge Beispiele auf zwei zur Erläuterung seines Buches gegebenen Blättern, deren Darstellung in den Commentar gehört, seine Idee nicht übel durchgeführt. Ferner erweist sich in dem Buche der practische Sinn des Engländers; es bietet eine Methode für das Zeichnen mit einer Menge von Einzelnheiten, welche beginnenden Künstlern sicherlich von Nutzen sein werden. Alles ist ferner durch Beispiele an der Zeichnung erläutert, wovon freilich diejenigen, welche den Gegensatz zur wahren Schönheit bieten, und die Hogarth’s wahre Virtuosität, das Komische, betreffen, am meisten in die Augen fallen. Dabei enthält das Buch, wie es scheint, ziemlich vollständig, die practischen Lehren, die freilich allen Schulen gemein sein müssen, allein in dieser Vollständigkeit bis dahin nicht zusammengestellt wurden. Endlich beweist Hogarth durch sein Buch, daß er mehr Studien gemacht hatte, als man von ihm erwarten konnte. Ob er gleich nie in Italien gewesen war, hatte er die Antike nach Modellen mehr studirt, als zu seiner


  1. Unter den Büchern, die in dem Blatte: die Bierstraße (Beerstreet) dem Pastetenbäcker als Maculatur zugesandt werden, befindet sich unter Anderem ein Werk über die antike Malerei (Turnbull on ancient paintig), eine gute Bearbeitung von Junius de pictura veterum.