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und die Wirkung des Fleißes und der Faulheit, oder der fleißige und der faule Lehrling. Letzteres ist das größte seiner Werke, denn es enthält eine Reihe von zwölf Blättern. Diese populäre Darstellung des bekannten Wahlspruches: Ehrlichkeit ist die beste Politik (Honesty is the best policy), erlangte wegen ihres allgemein verständlichen und aus dem Leben der niederen Volksclassen gegriffenen Inhalts gleich nach ihrem Erscheinen die größte Verbreitung unter seinen größeren Werken. Sicherlich hat der Künstler durch die Natur des Inhalts auch offenbar einen ausgedehnten und in jeder Hinsicht heilsamen Einfluß auf das Volk geübt: seine Zeitgenossen hatten dies auch augenblicklich begriffen, und in mehreren Städten trafen die Magistrate genügende Maaßregeln, um die Kenntniß der Blätter unter Lehrlingen und Meistern allgemein zu machen, ein Beispiel, welches die berühmte Gesellschaft zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse in unseren Tagen erneuerte. So beschloß zu des Künstlers Zeiten die Corporation von London, mit der Reihe dieser Bilder dasjenige Zimmer des Rathhauses (Guildhall) auszuschmücken, wo die Lehrlinge eingeschrieben und ihren Meistern übergeben werden, eine Verzierung, welche noch gegenwärtig den Lehrlingen die Wahl ihres Schicksals dort vor Augen führt. Der Stoff war so populär, daß man ihn sogar zu Predigttexten wählte. Aus jenen Blättern ist auch ein englisches Volksbuch: das Leben des fleißigen und des faulen Lehrlings, entstanden, welches neben Robin Hood, Jane Sone, Tom Whittington u. a., von dem Bauer und Handwerker gelesen wird. – Nur noch einmal hat Hogarth ein ähnliches Sujet zur Belehrung der unteren Volksclassen in den Stufen der Grausamkeit sich gewählt, eine Reihe von Blättern, die er eben so wenig, wie die genannten, um das Verständniß nicht zu erschweren, in den Einzelnheiten so sorgfältig in der Staffage durchführte, wie er dies sonst gewohnt war (1751), wobei er zugleich auf die größere Verbreitung dadurch hinwirkte, daß er auch Holzschnitte nach seinen Kupferstichen verfertigte, und zu einem Penny das Stück verkaufte[1].

Im Jahre 1749 erschienen das Thor von Calais und des Künstlers Bildniß. Zu dem ersteren Gemälde wurde der Künstler durch einen unangenehmen Vorfall auf einer Reise nach Frankreich veranlaßt, die eben dadurch sich auf Calais, wo er gelandet war, beschränkte, und die fashionable Tour nach Paris bei ihm verhinderte. Man erkennt zur Genüge aus seinen Werken jenen Franzosenhaß, den er mit dem damaligen John Bull im Uebermaaß theilte, als der Engländer seinen Nachbar jenseits des Canals nicht anders als einen schwächlichen, mit allen Anlagen zur Sklaverei begabten Froschesser (frogeater) zu verachten gewohnt war. Sobald Hogarth den französischen Boden berührt hatte, begann sein Spott. Er verhöhnte Vorübergehende aus den Mittelclassen, welche bei der Armuth derselben unter dem Ancien régime und bei dem den Franzosen von jeher eigenen Sinn für Anstand im Aeußern, an ihrer zierlichen Kleidung die Armuth nicht verbergen konnten. Zeigten seine Freunde ihm irgend eine Sache, schöne Möbel, gut gebaute Schiffe, wobei sie seinen Tadel zum Schweigen zu bringen hofften, so gab er stets die verächtlich kurze Antwort: Nichts als französisch (nothing but French); kurzum er benahm sich in derselben ungezogenen Weise, welche der gleichzeitige Romanschreiber Smollet bei seinen Helden in Frankreich mit Vorliebe schildert. Damals aber waren beide Städte mit britischen Auswanderern überfüllt, nicht allein mit insolventen Zahlern, wie gegenwärtig, sondern mit politischen Flüchtlingen,


  1. Der gewöhnliche Preis seiner Kupferstiche war sonst 1, 2 oder 3 Shillinge.