Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/211

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

einen Officier genannt, und das ist er auch, nicht des Schlachtfeldes, sondern der Cocarde wegen, die er offenbar auf dem Hute hat. Cocarden in England bezeichnen immer den Officier, die Farbe des Rocks sey nun welche sie wolle, schwarz oder grün, oder dessen Schnitt noch so seltsam, wie zum Exempel hier die Rockaufschläge von der Art sind, die man ehemals in meinem Vaterlande Römer-Monate hieß. Als mich daher vor einigen Jahren, da auf unserer Universität die Cocarden noch fast von jedem Studirenden getragen wurden, ein durchreisender Engländer, einige Stunden nach seiner Ankunft besuchte, äußerte er seine Verwunderung und Freude darüber, daß hier so viele junge Officiere studirten. Er war auch wirklich schon im Begriff, auf seine Beobachtung eine Reflexion zu gründen, die vermuthlich sehr zum Nachtheil des englischen Militärs ausgefallen seyn würde, als ich ihn unterbrach, und sagte: er irre zwar im Ganzen nicht, es studirten hier viele Officiere, und vielleicht mehr als in irgend einem Lande, aber vermuthlich habe ihn die Cocarde verführt, manchen für einen Officier zu halten, der es nicht sey. In London kann man daher mit der Cocarde lügen, und eine solche würde dem, der sie trägt, über kurz oder lang Beschimpfung zuziehen, von dem Stande sowohl, in den er sich hinein, als dem, aus welchem er sich herauslügen wollte[1]. Bei dem Sturz fällt dem Ueberwundenen Hut und


  1. Vermuthlich war es auch eine solche Lügnerin, die der Schimpf in folgender herrlichen Geschichte traf. Man kennt die großen Vorrechte englischer Richter, wenn sie, als Ausleger und Sprecher des Gesetzes, im Gericht sitzen. Es ist bekannt, daß einer einmal den Prinzen von Wallis, nachherigen König Heinrich V., der ihn bei Verwaltung seines Amtes in’s Gesicht geschlagen hatte, sogleich arretiren ließ, und man weiß, zur größten Ehre des hitzigen, aber vortrefflichen Prinzen, daß er selbst diesen Schritt nachher sehr gebilligt, und den Richter um Vergebung gebeten hat. Nun ereignete es sich vor einigen Jahren, daß ein Mensch, der einem Soldaten sehr ähnlich sehen mochte, sich in dem peinlichen Gerichtshof in der Old Bailey auf eine Bank gesetzt hatte, wo eigentlich bloß Zuschauer, wie er war, nicht hingehörten. Der Richter, der dieß bemerkte, sagte daher zum Gerichtsdiener ganz freundlich, aber doch etwas laut: „sagt doch dem Soldaten dort, er möchte so gut seyn, und sich an eine andere Stelle setzen.“ Hierdurch fand sich der Herr beleidigt, fuhr hitzig auf und sagte: „Ich bin kein Soldat, ich bin ein Officier,“ und wieß auf die Cocarde. Nunmehr sagte der Richter, ohne seine Fassung im mindesten zu verlieren, ganz laut und mit gebieterischer Stimme zum Gerichtsdiener: „Hört, schafft einmal dort den Officier weg, der kein Soldat ist.“