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nicht von den hemmenden Fesseln der akademischen Manier losgemacht hatte, eine der höheren, wenn auch keine der höchsten Stufen. In unseren Zeiten wurde sie weiter fortgebildet, und mag vielleicht in Zukunft eben so hoch stehen, wie einige Mutterschulen des Festlandes. Es fehlt wenigstens nicht an einer Hauptbedingung, an dem Geschmack der Großen und Reichen für bildende Kunst und der damit zusammenhängenden Beförderung ihrer Ausübung.

Hogarth’s Blütezeit war überhaupt der bildenden Kunst nicht ungünstig. Die Nation, unter dem Schutz ihrer durch die Revolution erworbenen Institutionen, entwickelte sich frei und ungehindert. Die gewaltthätige Parteiwuth, welche bei dem Regierungsantritt Georgs I. durch Aufregung des Pöbels die Verfassung zugleich mit der Whig-Partei in Gefahr brachte, war nach einer mißlungenen Empörung der Jakobitenpartei wenigstens in England verschwunden; dem bestehenden Zustande drohte kein Umsturz, wie auch der klägliche Ausgang des schottischen Aufstandes von 1745 bewies. Parteikämpfe fanden nur in den gesetzlichen Schranken statt; die Whig-Regierung von Walpole u. s. w., obgleich durch Corruption unmoralisch, war wenigstens liberal im Innern; die Nation war durch ihre Industrie und ihren Handel in allen Welttheilen unter dem Schutz einer übermächtigen Flotte bereits zur reichsten von ganz Europa geworden; ihre Bildung stand schon lange Zeit auf dem Punkte, wo ein geistiger Genuß neben dem materiellen, den der Reichthum gewährt, gesucht und damit verbunden wird; einzelne Große, z. B. der Minister Sir Robert Walpole, hatten somit Kunstsammlungen angelegt, woran britische Maler Anregung und Bildung finden konnten; Andere, wie dessen Sohn, Horace Walpole, in etwas späterer Zeit, suchten durch Schrift und Beispiel den Geschmack an bildender Kunst bei ihren Landsleuten zu erwecken. Seit Swift und Addison entwickelte sich in der Prosa, durch eine ungehemmte Preßfreiheit befördert, jener heitere Humor, welcher überall dem ernsteren Charakter zur Folie dient. In jene Zeiten fallen die zahlreichen humoristischen Schriften von Swift, Fielding, Sterne, Smollet u. s. w., welche man sicherlich so lange mit Vergnügen lesen wird, wie die englische Sprache bekannt bleibt. Von derselben Gattung und aus demselben Humor hervorgegangen, und somit nationell, war die von Hogarth geschaffene Malerei, die ziemlich allgemein mit dem Namen der moralisch-humoristischen oder moralisch-comischen (The Moral-comic) bezeichnet wird, und die sich zur Historienmalerei bei genauer Nachahmung der Natur in derselben Weise verhält, wie das bürgerliche Schauspiel zur Tragödie. Daß übrigens eine genaue Verwandtschaft zwischen der genannten Literatur und Hogarth’s Kunstproducten stattfand, würde man schon der Sache nach leicht vermuthen können, wenn dies auch Fielding in seinem Tom Jones an verschiedenen Stellen nicht ausdrücklich sagte, indem er erklärt, mehrere Charaktere seines Romans seien identisch mit einzelnen Figuren auf den Blättern seines Freundes Hogarth.

Als die charakteristischen Merkmale der von Hogarth neu erfundenen Gattung fallen die getreuen und treffenden Darstellungen der Abhängigkeit des Menschen von Leidenschaften und Gewohnheiten in die Augen, und zwar stets in dramatischer Composition, welche häufig in einer Reihe von Blättern die Handlung in ihrem Zusammenhange darstellt. Die zweite Hogarth eigenthümliche, hauptsächlichste Eigenschaft besteht in der genauen und sorgfältigen Ausführung aller zahlreichen Staffage, in Uebereinstimmung mit dem Hauptzweck, ein Punkt, der einen starken Gegensatz mit der Historienmalerei in’s Auge stellt; während bei letzterer die kleineren, unbedeutenderen