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die der Knickerei immer auf dem Fuße folgt, besetzt und behangen. Zuerst fällt in die Augen der gedeckte Tisch mit dem Mittagsmahl. Hier hätte der Franzose so ganz Unrecht nicht gehabt, der dieses Wort einmal durch Mal de midi übersetzte. Unter den Gerichten findet sich ein einziges warmes für die hysterische Gräfin, nämlich ein weichgesottenes Ei, auf Salz balancirt. Das Uebrige ist ein todtes Rippenstück (denn es findet sich hier auch ein lebendiges), das heute zum letzten Male geschabt werden sollte, und ein halber Schweinskopf, der im Leben von Nahrungssorgen und nach dem Tode, vermuthlich von häufigem Hin- und Hertragen zwischen Speisekammer und Tafel, durch Luftzehrung etwas gelitten hat. Für den Gaumen ist, wie man sieht, nur mäßig gesorgt, aber desto reichlicher für Auge und Phantasie. Dahin gehört einiges schweres, und bis zur Plumpheit schönes Silbergeschirr und vorzüglich der Prospect auf die Themse. Von letzterem hat der liberale Mann wirklich heute etwas aufgehen lassen, er hatte beide Fensterflügel geöffnet; einer wäre genug gewesen. Teller für Gäste sieht man eigentlich nicht, einen kleinen ausgenommen, vermuthlich ein Familien-Meridometer[1] für Suppe und Gemüse. Was in dem großen silbernen Pracht-Gefäße mit Henkeln seyn mag, ist schwer zu sagen, versteht sich da, wo man nicht Hinsehen kann, denn so weit als man hineinsehen kann, ist es offenbar leer. Wenn, wie es wahrscheinlich ist, der schlaue Wirth durch das Gefäß gut gemacht hat, was dem Getränke abgeht, so könnte es allenfalls schaales Bier seyn und wäre immer noch ein köstliches Getränk. Was da in dem silbernen Kruge an der Erde steht, ist wohl gewiß ehrlicher, reiner Middleessexischer fünf und vierziger aus der Themse. – Dieses ist also das Mahl, bei welchem der Tod den schönen Gast übereilte. Freilich hatte das Gift da alle Schuld. Allein fürwahr, bei einem Appetit und einer Verdauungskraft, wie z. B. die des Polizeidieners auf dem fünften Blatte, hätte ein solcher Mittags-Tisch selbst, nur ein Paar Tage fortgesetzt, nothwendig ähnliche betrübte Folgen haben


  1. Von μερίς portio und μέτρον mensura; ein Portionenmesser.