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Ganymed nach dem Olymp trägt[1]. Sonderbar ist es, daß der Gott der Götter auch hier wieder beißen will. Es wird einem fast bange, zuzusehen. O! ritte doch Ganymed diesesmal, ich meine, wäre er doch diesesmal, wie die Franzosen vortrefflich sagen, à cheval sur en aigle. So wie er jetzt da am Adler hängt, nimmt es führwahr kein gutes Ende. Ich fürchte, ich fürchte, Jupiter, der gerade da über Carestini’s Kopf schwebt, vernimmt so eben die Götterstimme dieses Sterblichen. Einen solchen Sänger muß ich auch haben, denkt er, und schreitet, gedacht gethan, sogleich mit höchst eigenem Schnabel zur Operation[2].

Ueber diesem Gemälde, als etwas ominös, im Olymp selbst, und unter den Unsterblichen, hängt offenbar Herrn Silbermund’s Portrait ganz unmaskirt, mit aller der Würde im Aeußern, die einem Commandanten des Hauses geziemt. Zu seinen Füßen nagt das von ihm gestürzte, gehörnte Thier an seiner Kette. Gut. So wollen wir es lassen. Nur noch ein Paar Blätter weiter, so erblicken wir beides, Hängen und Stürzen in – soliderer Form.


  1. Bekanntlich wird die Geschichte von Jupiter und Ganymed verschieden erzählt. Nach Einigen sandte Jupiter seinen bekannten Trabanten, den Adler, ihn abzuholen; nach Andern aber übernahm er dieses Geschäft höchst selbst, in der Adlersmaske, die er auch bei der schönen Wachtel, Asterie, angenommen haben soll. Die letzte Vorstellungsart empfiehlt sich hier durch reineren Zusammenhang mit dem übrigen Maskenspiel bei den schönen Prinzessinen Leda und Io.
  2. Wenn dieses, wie ich glaube, der eigentliche Sinn dieses Zuges ist, so gehört er unstreitig mit unter die vorzüglichsten unter Hogarth’s Werken. Und wie reich mußte nicht das Genie eines Mannes seyn, der so etwas, was mancher Dichter vielleicht zu einer ganzen Ballade ausgesponnen hätte, in einen wahren Winkel seines Werkes, das heißt, in ein Bildchen an der Wand eines Bildchens, das selbst an die Wand gehängt wird, hinwirft, unbekümmert darum, wer es findet, oder ob es überhaupt je gefunden wird? Zugleich ist dieses die herrlichste Rèparation d’honneur für den armen Castraten, wenn er sich etwa durch das Uebrige für beleidigt hätte halten können. Carestini konnte leicht lächerlicher gemacht, aber schwerlich feiner gelobt werden.