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letztere Ausdruck mit dem des Lachens oft zusammen, wie man bei Bettlern sehen kann, die absichtslos am Munde oft ein wohlgefälliges Lächeln zeigen, während die anderen Züge darauf berechnet sind, Mitleid zu erwecken.

Es ist sonderbar, daß die Natur uns mannigfaltige Formen verliehen hat, um die Mängel der Seele anzudeuten, während kein Zug die Vollkommenheiten derselben anzuzeigen vermag, die über den gesunden Menschenverstand und Gefälligkeit hinausgehen. Auch sind Ernst und feierliche Blicke nicht immer die Zeichen der Weisheit; ein Mensch, der sich nur mit Kleinigkeiten abgibt, kann eben so viel Scharfsinn und Würde im Gesicht zeigen, als ein anderer, der mit Angelegenheiten der höchsten Wichtigkeit beschäftigt ist. Die Aufmerksamkeit des Seiltänzers auf den Balancirpunkt wird seinem Gesichte einen ähnlichen Ausdruck verleihen, wie das Nachsinnen über algebraische Rechnungen dem Mathematiker. So ist es auch den antiken Bildhauern nie gelungen, im Gesichte etwas Uebermenschliches darzustellen. Wie erwähnt, liegt das Göttliche in Figur 12 B 2 in ganz anderen Verhältnissen.

Hinsichtlich der Gesichtslinien ist noch zu bemerken, in welcher Art sich dieselben von der Kindheit an verändern. Hiebei ist besondere auf Einfachheit Rücksicht zu nehmen, da nach diesem Grundsatze die Form der Linien wechselt.

Von Kindheit an ändert sich das Gesicht mit seinem Inhalt, bis es eine gewisse Mittelstufe erreicht, Figur 113 B 2, von welcher herab die Mannigfaltigkeit der Linien wiederum abnimmt, und sich in Gleichförmigkeit zuletzt verwandelt, so daß alle Theile des Gesichts sich mit Cirkeln umschreiben lassen, wie man Figur 116 B 2 bemerken kann. – Es gibt jedoch ein Merkmal, welches vielleicht bis jetzt (bis auf Hogarth) niemals berücksichtigt worden ist, wodurch man ein Alter von dem andern, außer den Zügen im Allgemeinen, hauptsächlich unterscheiden kann. Das Auge behält nämlich stets seine Größe, d. h. die Pupille mit der Iris, so daß wir dasselbe als ein feststehendes Maas betrachten können, um das Wachsen der andern Gesichtstheile im Verhältniß des Alters zu bestimmen. Jenen Theil des Auges wird man bei Kindern und Erwachsenen