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gemalte Blume. Auch die größte Kunst und die besten Farben erreichen nie den Glanz und die Frische der Natur; sollen wir sie bewundern, wenn sie noch schwärzer, schmutziger und niedriger durch die Zeit geworden ist? Anstatt des Weichen und Sanften erscheint ein gelbliches und schmutziges Roth. Soll an Landschaften das Wasser durchsichtiger, der Sonnenschein durch räucheriges Dunkel heller werden? Diese Thorheit hat sogar Maler verleitet, in ihrem ursprünglichen Colorit die Tinten alter Gemälde nachzuahmen u. s. w.“

Die Schönheit des Colorits wird somit durch Mannigfaltigkeit bewirkt, sowie durch eine passende Vereinigung derselben. Die seltene Erkenntniß der Verschmelzung des Colorits, welche die Natur bietet, hat aus dem Colorit eine Art Geheimniß gemacht; kaum sind zwölf Maler hierin sehr glücklich gewesen. Correggio, der in einem Dorfe lebte, und nur nach der Natur studiren konnte, steht beinahe durch seinen Vorzug in diesem Punkte ganz allein; Guido, Poussin sind im Colorit unbedeutend; Rubens behandelte meisterhaft die Blütentinten, doch alle seine Werke sind auf größere Stücke und auf größere Entfernung der Beschauer berechnet, so daß die feineren Uebergänge wegfallen. Die Hauptschwierigkeit scheint darin zu liegen, daß man die dritte Originalfarbe, das Blau, im Fleische anbringt. Wer dies versteht, wird in dem Colorit stets als Meister auftreten[1].

Will man eine Gesichtsform auf schöne Weise componiren, so muß man die früher angegebene Theorie der Linien auf’s Neue berücksichtigen. Um die Schlangenlinien im Gesichte an einem Beispiele zu zeigen, hat Hogarth zuerst zwei Köpfe von anerkannter Schönheit der Form gewählt, Figur 97 B 1 und Figur 98 B 1. Der eine ist der Kopf einer Antike, und wird hinsichtlich des Kunstwerthes für ein Werk ersten Ranges gehalten; deßhalb hat ihn auch Raphael von Urbino und andere große Maler und Bildhauer in Darstellung ihrer Gestalten nachgeahmt; der zweite war ein Modell in Lehm von Fiamingo, zum Gebrauch für


  1. Man muß hiebei bedenken, daß Wagen in dem schon oft angeführten Werke das Colorit der Bilder von Hogarth rühmt.