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geraden, woraus es besteht; eine solche Linie würde ohne die gekrümmten kaum offenbaren können, daß jenes Horn ein Inneres besitzt; bei dem zweiten Horn wird die gerade Linie zur Wellenlinie, bei dem dritten zur Schlangenlinie. Letztere gibt nicht allein durch die Beugung, wodurch einige Theile der Oberfläche dem Blicke entschwinden, der Phantasie Spielraum, und entzückt deßhalb das Auge, sondern belehrt uns auch über die Mannigfaltigkeit und die Formen des Inneren. Wie man die Wellenlinie mit dem Namen der Schönheitslinie bezeichnen mag, so kann man die Schlangenlinie als die der Schönheit und Grazie definiren. Zwar läßt sich auch diese Linie bis zum Uebermaß anbringen, so daß der dargestellte Gegenstand an Schönheit verliert; allein selbst in dieser Ueberladung wird sie an Gegenständen nicht ungern erblickt, wo Schönheit und Grazie nicht in höchster Ausbildung ausgedrückt werden sollen.

Doch müssen alle diese Linien zusammen angewandt werden, will man eine schöne Composition hervorbringen; so wird man an dem noch mehr ausgeschmückten Horn, Figur 59 B 2, die einzelnen Linien wieder erkennen. Durchschneidet man dieses Horn in zwei gleiche Theile, so bieten dieselben auf gleiche Weise die Schönheitslinie; wo ferner die Schlangenlinie zurücktritt und dem Auge entschwindet, bietet sie sich sogleich in der Höhlung wieder dar. Diese Bemerkungen sind anwendbar auf die menschliche Körperform; alle Muskeln und Knochen offenbaren mehr oder weniger die genannte Windung. Es gibt keinen einzigen Knochen, welcher durchaus eine gerade Form bietet; die Muskeln sind in Windungen sämmtlich darauf befestigt, wie verschieden ihr Zweck sonst auch sein mag. Man braucht blos den Schenkelknochen und diejenigen an den Hüften zu betrachten.

Der Schenkelknochen, Figur 62 B 2, zeigt die gewundene Schlingung des Horns, Figur 58; die weiter unten zu sehenden schönen Knochen ossa innominata, Figur 60 B 2, haben mit größerer Mannigfaltigkeit dieselben Windungen des Horns, wenn es zerschnitten ist. Wie sehr diese Knochen zur Zierrath dienen können, wenn das Vorurtheil, sie seien der Theil eines Skeletts, durch ein wenig Laub entfernt worden ist, erhellt aus Figur 61 B 2. Man beraube jedoch diese Zierrathen