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wie auch das richtige Urtheil der Alten bezeugen, finden sich nicht in den schwerfälligen Nachahmungen, die bei Hyde-parkstehen (Figur 4). Die bleiernen Köpfe der Nachahmer bildeten sich ein, sie müßten jene Mißverhältnisse verbessern.

Die zweite Bedingung der Schönheit ist geordnete Mannigfaltigkeit (composed variety) z. B. bei Farben, bei allmähliger Veränderung derselben Gestalt (z. B. bei der Pyramide), auch durch Perspective, nach welcher dasselbe Ding in verschiedenen Formen scheinbar verändert dargestellt werden kann. Zur Erläuterung des letzteren dient das kleine Schiff zwischen Figur 47 und 88. Fährt es am Ufer mit dem Auge in gerader Linie, so kann man dessen Boden und Spitze durch zwei Linien in gleichen Entfernungen begränzen (A), fährt es in die hohe See, so scheinen diese Linien an der Spitze und am Boden sich zu verändern, und sich allmählig zu begegnen, wie B im Punkte C, welches den Horizont bildet, wo Himmel und Wasser sich dem Auge vereinigen.

Regelmäßigkeit und Symmetrie bilden durchaus noch keine Grundbedingung der Schönheit. Die Folge derselben ist Einförmigkeit. Um dieselben zu vermeiden, pflegt der Maler, wenn er ein Haus mit seinen rechten Winkeln und Parallelogrammen dargestellt hat, an der Front Bäume, oder Wolkenschatten, oder Gitter (siehe das Haus im Hintergrunde des Blattes) zu malen, und perspectivisch hiedurch die Wand gleichsam zu durchbrechen. Wäre die bloße Regelmäßigkeit angenehm, so brauchte sich der Künstler keine Mühe zu geben, um die verschiedenen Glieder einer Statue mannigfach zu stellen und in Contrast zu setzen; alsdann wäre der Antinous häßlicher, als der Tanzmeister (Figur 6 und 7); die Außenlinien der Muskeln, wie sie nach dem aufgeschlagenen Buche Albrecht Dürer’s über die Verhältnisse gezeichnet sind, wären in aller Steifheit schöner, als der Torso des Michel Angelo (Figur 55 und 54).

Einfachheit ohne Mannigfaltigkeit ist geschmacklos; sie gefällt, wenn Mannigfaltigkeit hinzugefügt wird; deßhalb ist die Pyramide, welche sich von der Grundlage bis zum Gipfel fortwährend verändert, die schönste einfache Form, und dem Kegel vorzuziehen. Die pyramidale Stellung ist deßhalb die beste. In der Gruppe des Loacoon, welche die schönste