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verstand sich wohl mehr als Er auf die Kunst, seinem Allgemeinen, mit unnachahmlicher Schalkheit immer noch einige Ingredienzien beizumischen, die nur auf diejenigen Individuen mit voller Kraft wirkten, die irgend ein geheimer Schaden dafür besonders empfänglich machte. Ein Zug dieser Art findet sich auch hier, und trifft die gelehrte Abkunft unseres Mr. de la Pillule. Dieser hatte nämlich den unglückseligen Einfall, seinen Narhwals-Zahn in der geneigten Richtung aufzustecken, der dadurch das in London allgemein verständliche Aushänge-Zeichen[1] der Bartputzer wird (a Barbers pole), und nun wußte sein widriges Schicksal noch Mambrin’s Helm, die Bartschüssel und das Uringlas so nahe an die Stange zu führen, daß durch diese Hieroglyphe das reiche Zimmer des Mr. de la Pillule zur Barbierstube, und Er selbst zu einem harnweisen Bartputzer wird, der bloß etwas medicinisch parliren kann. So ließe sich vielleicht die Sammlung des Herrn Doctors, theils historisch, theils prophetisch auf sein Leben deutend, etwa so herlesen: Als Bartputzer fing er an; wurde hierauf Harnseher; erschlich sich bald nachher durch seine Kuren, hart am Galgen vorbei, den Doctor-Hut, und rechnet nun noch auf den Ritter-Titul, oder hat ihn schon[2].


  1. In England bezeichnen die Barbiere überhaupt ihre Wohnungen durch solche schräg in die Luft hinaus gesteckte Stangen oder Lanzen. Auf dem 4ten Blatt der „Tageszeiten [Nacht]“ ist eine Barbierstube mit einer solchen Stange abgebildet. So wie der deutsche Barbier die Kunden mit der Bartschüssel lockt, so lockt sie der englische mit der Lanzette.
  2. Man weiß, daß in England bloß wahres Verdienst aller Art zu diesem Titel und so zu dem Recht führt, seinem Vornamen noch die Sylbe Sir vorsetzen zu dürfen, z. B. Sir Isaak Newton, Sir John Fielding, Sir John Pringle. Mir ist nicht bekannt, daß je einem Unwürdigen diese Ehre zu Theil geworden wäre, ursprünglich versteht sich. Es ist kaum möglich. Die Achtung, wo nicht der ganzen, doch eines beträchtlichen Theils der Nation, ist immer die Vorläuferin dieses Ehrenzeichens. Der etwas windige, wiewohl nicht ungeschickte Oculist Taylor, den Hogarth bereits im Jahre 1738 in seiner consultations of physicians mitgenommen hatte [gegenwärtige Blätter sind von 1745], hieß in Deutschland zwar Ritter Taylor: ich fürchte aber, der Titel war entweder seine eigene Erfindung, bloß zu häuslichem Gebrauch aus dem festen Lande, oder ein Uebersetzungsfehler seiner deutschen Posaune, die das Wort Esqr. hinter seinem Namen dahin deuteten, wovon man auch sonst Beispiele in Uebersetzungen hat. Wie aber diesem auch seyn mag, so könnte Hogarth immer etwas von der Ritterschaft Seines Taylors gehört haben; sie könnte das Gespräch des Tages gewesen seyn. – Wäre aber auch alles dieses nicht, so vergibt man ja einem gutmüthigen Spötter, wie Er war, gerne den kleinen Muthwillen, einen glücklichen, epidemischen Quacksalber zum Ritter geschlagen zu haben; zumal da die Satyriker nie, so viel ich weiß, für sonderliche Fontes Nobilitatis gehalten worden sind. – Ich bitte die Leser wegen dieser Ausschweifung über eine Ausschweifung um Vergebung. Ich bin völlig mit ihnen einverstanden, daß das, was ich in dem Text gesagt habe, vielleicht eben so wenig zu einer Erklärung von Hogarth’s Werken gerechnet werden kann, als ein Traum über die Figuren in der Baumannshöhle zur Geologie. Ich habe bloß geglaubt, es verlohne sich der Mühe, einmal zu versuchen, wie sich eine Lebens-Linie ausnähme, die durch vier gegebene Punkte: ein Barbierbecken, einen Galgen, einen Hut und die Insignien der Ritterschaft mit stetem Zug gezogen würde.