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ihr deshalb manchmal ein Liebhaber oder gar ein Ehegemahl, von der Süßigkeit der ungewohnten Rede berauscht, ins Garn fällt. – Himmel, wie unabsehbar sind die Vortheile einer schönen Musik! – Euch, ihr heillosen Verächter der edlen Kunst, führe ich nun in den häuslichen Zirkel, wo der Vater, müde von den ernsten Geschäften des Tages, im Schlafrock und in Pantoffeln fröhlich und guten Muths zum Murki[1] seines ältesten Sohnes seine Pfeife raucht. Hat das ehrliche Röschen nicht bloß seinetwegen den Dessauer Marsch[2] und „blühe liebes Veilchen“[3] einstudirt, und trägt sie es nicht so schön vor, daß der Mutter die hellen Freudenthränen auf den Strumpf fallen, den sie eben stopft? Würde ihm nicht endlich das hoffnungsvolle, aber ängstliche Gequäke des jüngsten Sprößlings beschwerlich fallen, wenn nicht der Klang der lieben Kindermusik das Ganze im Ton und Takt hielte? – Ist dein Sinn aber ganz dieser häuslichen Idylle, dem Triumph der einfachen Natur, verschlossen, so folge mir in jenes Haus mit hellerleuchteten Spiegelfenstern. Du trittst in den Saal; die dampfende Thee-Maschine ist der Brennpunkt, um den sich die eleganten Herren und Damen bewegen. Spieltische werden gerückt, aber auch der Deckel des Fortepiano fliegt auf, und auch hier dient die Musik zur angenehmen Unterhaltung und Zerstreuung. Gut gewählt, hat sie durchaus nichts


  1. Der Murkybass besteht aus geschüttelten Oktaven, ist kompositorisch und spieltechnisch anspruchslos, klingt aber belebt.
  2. Dessauer Marsch, ein langsamer Infanteriemarsch, schon um 1705 verbreitet.
  3. erste Zeile des Gedichts Der Knabe an ein Veilchen von Christian Adolf Overbeck (1755–1821), häufig vertont, am bekanntesten wurde das Lied von Johann Abraham Peter Schulz (1747–1800).