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LIEDER AN LIANE

I.
Ich wollte einmal dich in meiner Heimat grüßen,
Ich wollte einmal, daß zu deinen Füßen
Die Wege ziehen, die mir lang vertraut.
Ich wollte, daß mein stilles Land dir brächte

5
Sein tiefes Sehnen, seine hellen Nächte

Und du es sähest, wie ich es geschaut.

Ich wollte einmal deine Lippen küssen –
Ich wollte einmal deine lieben süßen
Geliebten Augen auf mir ruhen sehn –

10
Ich wollte einmal – einmal nur dir sagen

Wie lang dein Bild im Herzen ich getragen
Und wie es ruht dort bis zum Untergehn.

Dann aber? Oh ich weiß nicht, was noch wäre
Still ruht die Sehnsucht – ankersstill im Meere

15
Fragst du den Beter, was er noch begehrt

Wenn ihm sein Gott die Seligkeit gewährt?
Fragst du den Schiffer, der den Hafen sieht,
Ob noch ein Wunsch durch seine Seele zieht?

Ich wollte einmal deine Lippen küssen,

20
Ich wollte dich in meinem Hause grüßen –

Einmal mit dir allein sein – fern vom Leben.
Ich wollte einmal dir in erstem Schweigen
Die Heimat und mich selbst ganz dir zu eigen
Bedingungslos in deine Hände geben.

Empfohlene Zitierweise:
Sophie Hoechstetter: Vielleicht auch Träumen. Müller, München und Leipzig 1906, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hoechstetter_Vielleicht_auch_Traeumen.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)