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wie in späteren Zeiten Rom, um anderer nicht zu erwähnen. Bald begannen aber auch die Zeiten, mit der griechischen Wissenschaft als solcher sich zu beschäftigen: es entstand eine jüdisch-griechische Philosophie, welche die jüdische Theologie mit den Ideen der griechischen Philosophen zu erfüllen, diese mit jener im Einklange zu bringen bemüht war; wie weit man schon um den Anfang der christlichen Zeitrechnung auf diesem Wege fortgeschritten war, wie viel platonische, pythagoräische, stoische und peripatetische Lehren dieses ungläubige Judenthum in sich aufgenommen hatte, zeigen die Schriften Philo’s, des Alexandriners, der aber darin nur der bedeutendste Vertreter einer weitverbreiteten Denkweise gewesen ist. Der Hauptsitz dieser Schule war Alexandrien, dieser große Knotenpunkt für die Kreuzung und Verschmelzung der griechischen mit der orientalischen Bildung; sie blieb aber nicht auf diese Stadt und nicht auf Aegypten beschränkt, sie hatte vielmehr unter allen griechisch redenden Juden zahlreiche Anhänger, und selbst auf Palästina und die östlichen Länder muß sich ihr Einfluß erstreckt haben. Jn enger Verbindung mit dieser theologischen Schule steht die jüdische Sekte der Essener, welche im zweiten vorchristlichen Jahrhundert zunächst, wie es scheint, durch die Einwirkung der pythagoräischen Mysterien und der damit verknüpften Ascese entstanden war, welche dann aber, bei der allmähligen Bildung einer neupythagoräischen Philosophenschule, auch an dieser mehr noch platonischen als pythagoräischen Spekulation theilnahm. Diese auch in Palästina verbreitete Sekte war Allem nach einer der wichtigsten von den Kanälen, durch welche die griechische Bildung, und somit auch die ethischen und religiösen Anschauungen der griechischen Philosophen in’s Judenthum einströmten. Von dem platonischen Staatsideal finden wir bei ihr unter Anderem die Gütergemeinschaft, in der die Essener, als Vorgänger der christlichen Mönche, in klösterlichen Vereinen zusammenlebten. Gerade der Essäismus scheint aber von Anfang an bei der Ausbildung der christlichen Lehre in maaßgebender Weise mitgewirkt zu haben: die Parthei der Ebjoniten, welche uns später als die einzige Bewahrerin des ursprünglichen Judenchristenthums begegnet, trägt alle Züge des Essäismus und unterscheidet sich von ihm nur durch den Glauben an Jesus, als den Messias. Auch der Mann, welcher dem Christenthum zuerst seine Stellung als Weltreligion

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Zeller: Der platonische Staat in seiner Bedeutung für die Folgezeit. In: Historische Zeitschrift Bd. 1. Literarisch-artistische Anstalt der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, München 1859, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Historische_Zeitschrift_Bd._001_(1859)_117.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)