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mit einer Thätigkeit, welche den sinnlichen Bedürfnissen und Begierden dient, unvereinbar sei. Wenn endlich jene Unterdrückung der persönlichen Interessen, welche in der Aufhebung der Ehe und des Privateigenthums ihren schroffsten Ausdruck findet, jene Rechtlosigkeit des Einzelnen in seinem Verhältniß zum Staate uns nothwendig abstößt, so ist sie doch nur das Aeußerste einer Denkweise, welche dem Griechen eben so natürlich war, wie sie uns fremd ist; denn daß die Bürger um des Staates willen da seien, nicht der Staat um der Bürger willen, daß dem Ganzen gegenüber kein Einzelner ein Recht habe, darüber war man in Griechenland einverstanden, und in Sparta besonders näherte sich auch die bestehende Sitte in vielen Beziehungen den platonischen Einrichtungen. Es war z. B. gestattet, im Fall des Bedürfnisses fremder Vorräthe, Werkzeuge, Hausthiere und Sklaven, wie der eigenen sich zu bedienen; es war den Bürgern der Besitz von Gold und Silber untersagt, statt der edeln Metalle ward Eisen zu den Münzen verwendet; die männliche Bevölkerung wurde auch im Frieden durch Gemeinsamkeit der Mahlzeiten, der Uebungen, der Erholungen, selbst der Schlafstätten dem Hause fast gänzlich entzogen, sie lebte, wie die platonischen Krieger, in der Weise einer Besatzung; ihre Erziehung war von den Kinderjahren an eine öffentliche, und auch die Mädchen hatten an den Leibesübungen theilzunehmen; die Ehe wurde vom Staat überwacht, ein bejahrterer Mann konnte seiner Frau einen Freund zuführen, ein Kinderloser von einem Andern die seinige leihen; gegen Einschleppung fremder Sitten, gegen Neuerungen aller Art wurden die strengsten Maaßregeln ergriffen, Reisen in’s Ausland untersagt, Dichter und Lehrer, von denen man einen übeln Einfluß fürchtete, des Landes verwiesen, einem Musiker, welcher die herkömmliche Zahl der Saiten an der Lyra vermehrt hatte, die überzähligen abgeschnitten. Man sieht deutlich, jene Einrichtungen und Grundsätze, die uns bei Plato so sehr befremden, waren in Griechenland nicht so unerhört, sie schließen sich an das Bestehende an, sie sind aus dem Boden des hellenischen Staatswesens erwachsen. Wenn aber Plato in dieser Richtung allerdings weiter geht, als irgend ein Früherer, wenn er namentlich in der Weiber- und Gütergemeinschaft alles Ernstes Vorschläge gemacht hat, wie sie vor ihm nur die Laune eines Aristophanes, in anderer Art freilich, als Gipfel alles

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Zeller: Der platonische Staat in seiner Bedeutung für die Folgezeit. In: Historische Zeitschrift Bd. 1. Literarisch-artistische Anstalt der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, München 1859, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Historische_Zeitschrift_Bd._001_(1859)_111.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)