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Morti Aeneis XII 474 und V 691; consanguineus Leti Sopor, Aeneis VI 278), aber ohne Anstoss, da schon zu seiner Zeit und noch mehr bei den späteren römischen Dichtern die Bedeutungen von Orcus, Mors, Letum, Dis vollständig durcheinander gehen. So ist Orcus gewöhnlich Gott der Unterwelt, gleichbedeutend mit Dis (Aeneis IV 699 und 702), dagegen in faucibus Orci, Aeneis VI 273, ist es die Unterwelt selbst (deum posuit pro loco, ut Iovem dicimus et aerem significamus, sagt Servius). Letum heisst Tod und Verderben (res eripe leto, Aeneis V 690), aber an den genannten Stellen und ganz besonders bei Valerius Flaccus Argon. II 206 ist Letum Todesgott, der sogar thätig im Kampf geschildert wird. Endlich erscheint Mors in der deutlichsten Personification in Silius Italicus Punica II 548 Mors graditur, vasto pandens cava guttura rictu, und in jener Nachahmung der vergilischen Unterwelt XIII 560, freilich an beiden Stellen mit Attributen, welche ihn von dem ursprünglichen griechischen Vorbild, dem Bruder des Schlafs, weit entfernen. Wenn demnach Georg. IV 481 Letum nur der Gott der Unterwelt genannt werden kann, das Wort also nur zu domus gehörig einen Sinn giebt, so folgt daraus, dass es an falscher Stelle steht, und dass Vergil geschrieben haben muss, quin Leti stupuere domus. Der Umstand, dass der Scholiast zu Horaz Od. II 13, 37 den Vers citirt, kommt dabei ebenso wenig in Betracht, wie etwa das Zeugniss des Probus für den oben erwähnten Vers Georg. I 277. Wie muss aber intima Leti Tartara verbessert werden? Offenbar intima Terrae Tartara nach Theog. 841 Ὠκεανοῦ τε ῥοαὶ τάρταρα γαίης; und wenn Vergil nicht diese Stelle benutzt hat, so hat er vermuthlich einen orphischen Vers vor Augen gehabt, welcher fast wörtlich eine Uebersetzung des hesiodischen ist. Man vergleiche Orph. frag. 6, 5 (Mullach) ὠκεανός τε μέγας, καὶ νείατα τάρταρα γαίης mit intima Terrae Tartara, und man wird sich der Uebersetzung nicht verschliessen können, dass bei der für Vergil erwiesenen, häufigen Benutzung und wörtlichen Uebersetzung griechischer Quellen der lateinische Vers bedeutend besser lautet, wenn wir lesen:

Quin Leti stupuere domus atque intima terrae Tartara.

Tübingen.

HANS FLACH.
Empfohlene Zitierweise:
diverse: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 9 (1875). 1875, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_9_116.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)