Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35 | |
|
der Aristarcheer und des Aristarchos selbst ist ihrer Verbreitung nur zu Gute gekommen, und Rhodos namentlich ein wichtiger Platz auch hierfür geworden.[1] In Alexandreia sass man auf einer Sprachinsel und hatte keine wirklich hellenische Volkssprache wie in Asien unter sich. Da also ist der Gedanke auf die Sprache überhaupt; die hellenische Sprache und ihre Mundarten insbesondere gerichtet worden. Die Lexicographie entwickelt sich schon im 3. Jahrhundert aus der Glossographie, die Behandlung einzelner Dialekte beginnt mit Dionysios Iambos, die Sammlung der Litterat ur führt zur diplomatischen Kritik, die Aesthetik der Peripatetiker zur philologischen Exegese. So kennt schon Eratosthenes falsche Attiker,[2] Aristophanes aber muss puristische Uebertreibungen kennen, sonst konnte er nicht περὶ τῶν δοκούντων μὴ εἰρῆσθαι τοῖς ἀρχαίοις schreiben, so dem späteren Antiatticismus vorarbeitend. Er stellt in der allgemeinen Sprachbetrachtung das Princip der Analogie auf, das dann Aristarch mit der Autorität eines gewaltigen Schulhauptes verficht, die Regel und die beweisbare Correctheit gegenüber dem allezeit lässlichen, widerspruchsvollen Gebrauche des Lebens. All dies gravitirt nach der Normalisirung der Sprache, der Aufstellung fester Regeln, der Kanonisirung eines bestimmten durch Muster festgelegten Griechisch. Und so viel ist an dem sogenannten alexandrinischen Kanon[3] auch wahr, dass in der Poesie trotz ihrer alexandrinischen Blüthe und trotz dem, dass die Gelehrten theils selbst Dichter waren, wie Eratosthenes und Aristophanes, theils mit Dichtern befreundet, wie Aristarchos mit Moschos, ein Strich gezogen ward, der die Classiker abschloss. Der Strich ist bei Alexander gezogen; der Atticismus hat ihn einfach auf die Prosa übertragen. Wenn also auch die Grammatiker keine Redner, vielleicht überhaupt keine attischen Prosaiker in den Kreis der Interpretation, also noch viel weniger in den der Knabenschule zogen, so war doch ihre Tendenz bereits δυνάμει atticistisch, ablehnend auch im Stile gegen die νεώτεροι, und sie ward es ἐνεργείαι, als sie in Rom dem Bedürfniss gemäss auch Redner erklärten, aber nur attische Redner. Wie viel Didymos
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_042.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)