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d. h. der hohen Rede angehöriges Wort nicht scheuen,[1] er braucht ξένα, ἰδιωτικά,[2] πεποιημένα. Der atticistische Schriftsteller unterliegt schliesslich doch dem ποῦ κεῖται: mit Bewusstsein wagt er keine Neubildung, selbst in der wissenschaftlichen Terminologie nicht. Die Sprache des Lebens gilt nicht für die der Feder: daher die Latinismen, die schon das Marcusevangelium zeigt, durchaus fehlen, und die Schulgespräche bei dem sogenannten Dositheus oder Pollux so ganz anders klingen als irgend ein gebildetes Document.[3] Aber dafür wagt die Rhetorik immer mehr statt der πεποιημένα ποιητικά anzuwenden.[4] Man sieht den Fortschritt, wenn Caecilius den Sprachschatz der Redner auszieht, Phrynichus nicht mal die alle gelten lässt, aber daneben eine beschränkte Zahl anderer Schriftsteller, namentlich Dichter, Pollux aber, dem wir das umfänglichste erhaltene Onomasticon verdanken, ausgesprochenermaassen für die σοφιστικὴ προπαρασκευή die


  1. Das erlaubt selbst Aristoteles (Rhet. 3, 7 S. 1408b 13), sogar ein κακὸν οὐρανόμηκες ἢ πελώριον, aber im Affect, und wenn der Redner seiner Hörer sicher ist καὶ ποιήσηι ἐνθουσιάσαι. Und dann verdenkt man es den Rhetoren. Das κλέπτειν ἐκ τῆς συνθείας hat er bekanntlich an Euripides gelobt.
  2. π. ὕψους 31, wo ein Wort aus Theopomp als Beispiel dient, ἀναγκοφαγεῖν τὰ πράγματα (eigentlich eine Metapher, denn es geht die strenge Diät der Athleten an, für die es technisch war); richtiger war also die verborum audacia von anderen an Theopomp monirt (Cicero de orat. III 36). Dionys Lys. 4 sieht bei diesem den Schmuck in dem μιμεῖσθαι τὸν ἰδιώτην. War es denn schlimm, wenn Hegesias das auch that, schlimm, weil der ἰδιώτης um 250 in Asien anders sprach als um 390 in Athen?
  3. Wenn die Leute in einen Laden gingen, sich einen Rock oder einen Kuchen zu kaufen, so redeten sie nothgedrungen wie das diocletianische Edict: in der Kunstprosa existiren alle die Vocabeln nicht; aber Pollux notirt die Idiotismen des altattischen Marktes für Röcke und Kuchen. Wenn Lukian ῥητ. διδ. 16 die Sophisten schildert, wie sie mit ein Paar Dutzend altattischer Wörter ihre sonstigen Barbarismen und Solöcismen decken, wie sie jenen Schmuck nicht bei den Attikern selbst, sondern bei den berühmten Collegen der letzten Generation suchen, so liegt darin wahrlich keine Zulassung der lebenden Sprache, weder in seinem Sinne, noch in dem der Sophisten: sie drücken sich nur um die Mühe und erfüllen die notwendigen Forderungen möglichst billig.
  4. Philostr. Vit. soph. 119 Κ. Νικαγόρου μητέρα σοφιστῶν τὴν τραγωιδίαν προσειπόντος διορθούμενος ὁ Ἱππόδρομος τὸν λόγον, ἐγὼ δὲ, ἔφη, πατέρα Ὅμηρον. Daher die homerischen Vocabeln bei den Historikern des Verus. Später nimmt Himerius auch die der Lyrik. In diesen Zusammenhang gehört auch das künstliche Ionisch, am ärgsten bei Aretaeus; die Asiaten selber nennen sich gern Ionier, auch bei Philostrat.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_040.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)