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hat ihnen ja so viel Fremdes untergeschoben. Die kritische Beschäftigung mit ihnen ist aber auch gerade für einen Asianer, Kleochares von Myrlea, bezeugt.[1] Lysias mochte man eher vergessen glauben, aber ihm hat man den Epitaphios untergeschoben, Anfang des 3. Jahrhunderts, wie ich schätze, und damals bekannte sich Charisios zu seinem Vorbilde, und danach gar Hegesias, dessen Declamationen eine uneingeschränkte Bewunderung Athens zeigen. Offenbar war es eine Richtung, die im Gegensatze sowohl zu Demosthenes wie zu Isokrates in der privaten Gerichtsrede die periodisirte Stilisirung verwarf; für epideiktische Rede, wie den Epitaphios, galt das natürlich nicht. Den Hypereides haben aus ähnlicher Tendenz die Rhodier auf den Schild gehoben, deren durchaus modern gesonnenes Haupt Molon den Spruch abgegeben hat, ἀνάγνωσις τροφὴ λέξεως.[2] Es hat auch nicht an solchen gefehlt, die wie die Caracci im Barocco die Vereinigung aller Vorzüge aller Meister als Programm verkündeten.[3] Cicero versichert, dass alle seine griechischen Lehrer ihn auf Demosthenes hingewiesen hätten. Bei Philodem kommen ζηλωταί verschiedener Attiker neben denen der Modernen vor,[4] dasselbe zeigt das Musterbuch des Gorgias (Rutilius).


  1. Ruhnken zu Rutil. Lup. 1, 2. Antig. v. Kar: 52. Das dort hervorgezogene Bruchstück (Spengel III 97) ist eine tolle Spielerei in lauter κόμματα, merkwürdig, weil es zeigt, dass schon im 3. Jahrhundert die Casus in die Reihenfolge unserer Grammatik gestellt waren.
  2. Dies bei Theon 61 Sp. Den Anschluss an Hypereides bezeugt Dionysios Din. 8. Cicero hat dies dort nicht gelernt.
  3. Das ist der Sinn der Geschichte, wie Zeuxis den Krotoniaten die Helena nach dem Studium nicht eines Modells, sondern aller Schönheiten malt, Cicero de inv. II Vorrede, später beigefügt, aber keineswegs aus atticistischer μίμησις, wie es Dionysios in der Vorrede von π. μιμήσεως verwendet.
  4. I 150 ist vom καλὸς λόγος in der Art entweder des Isokrates oder Demosthenes die Rede. 151 οἳ μὲν τὴν Ἰσοκράτους οἳ δὲ τὴν Θουκυδίδου λέξιν ζηλοῦσι, dann nach längerer Lücke, aber im selben Gedanken τερόνοτι (γεγονότι?) τοῦ Κλειταρχείου. S. 157 wird Jemand getadelt, ἀσάφεια erstrebt zu haben, διὰ βούλησιν ἐμφάσεως τοῦ ποιητικοῦ καὶ τροπικοῦ καὶ τῆς ἀνακεχωρηκυίας ἱστορίας ἐμπείρου καὶ τοῦ φιλαρχαίου: das kann nur Timaios sein. Das vierte Buch würde sehr wichtig sein, wenn es zusammenhängender verständlich wäre. Ein Gegensatz wie λόγος πάνδημος und φιλοκατάσκευος (der rhetorisch stilisirte 164) ist echt hellenistisch, später verschollen, vier πλάσματα ἁδρόν ἰσχνόν μέγα γλαφυρόν (165) widerlegen die auch an sich verkehrte Ansicht, die vier Gattungen des Demetrios könnten erst nachchristlich sein; τήν γε πρόχειρον καχεξίαν εἶναι διαφεύγειν, ἔμμετρα διευλαβημένον [31] λέγειν καὶ τοιαύτας ἀμφιβολίας ἑλεῖν μετωνυμικῶν (185, vorzüglich von Sudhans ergänzt) giebt den Tadel wieder, den die Atticisten erhoben, mit denen sich wie die Zeit so nicht selten das Urtheil, nicht die Tendenz und am wenigsten die Sprache Philodems berührt.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_030.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)