Seite:Hermes 35 013.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Strabon, natürlich nicht aus irgend welcher Quelle, sondern aus seiner exacten und dem Greise wunderbar präsenten Kenntniss bei den einzelnen Städten namhaft macht. Es sind ausser Leuten von immer dauerndem Ruhme im Wesentlichen die Nolabilitäten, die etwa noch zwei Menschenalter vor Strabons eigener Geburt in dieser Geltung standen, wohl schon viele sonst verschollen, als der alte Herr ihrer erwähnte. Das reicht etwa so weit zurück, wie die Erwähnungen Ciceros, der mit den Erinnerungen seiner eigenen Studienzeit wirthschaftet. Die Rhetoren von Alabanda und Diophanes von Mytilene, den seine Verbindung mit Tiberius Gracchus im Gedächtniss hielt, sind wohl die ältesten. Vor der Mitte des 2. Jahrhunderts scheint dann eine grosse Leere zu sein, bis empor zu den letzten Attikern, Demochares und Charisios. Aber das liegt nur an unsere Ueberlieferung. Zopyros von Klazomenai,[1] Kleochares von Myrlea,[2] Hermesianax,[3] Matris von Theben,[4] die ihrer Zeit Geltung genug gehabt haben müssen, waren eben um 100 schon ziemlich verschollen. Und wenn wir keinen einzigen Namen kennten: die Zeit, welche einen neuen Stil und ein neues rhetorisches System ausgebildet hat, kann bedeutender oder wenigstens ihrer Zeit gefeierter Redner nicht entbehrt haben.

So ist denn in Wahrheit eine ununterbrochene Continuität der


  1. Der Erfinder des Begriffes στάσις, also ein sehr bedeutsamer Mann; die περιστάσεις sind damit zugleich gegeben. Dies lesen wir bei Quintilian; als ältesten Techniker stellt ihn Philodem I 187 mit Antiphon (dessen falsche Techne bezeugend) zusammen. Als Zeitgenossen Timons erwähnt ihn Antigonos S. 43 meines Buches.
  2. Vom falschen Aristipp als jüngerer Zeitgenosse des Arkesilaos erwähnt, Antig. v. Karyst. 50.
  3. Von Agatharchides 446b 34 erwähnt; der Name zeigt wohl sicher den asiatischen Ionier.
  4. Sein Gedächtniss hat gedauert bis Ptolemaios Chennos 148b 1 (daraus Athen. II 44d); ob der ihn wirklich ὑμνογράφος genannt hat, oder Photius einen falschen Ausdruck gewählt hat, muss dahingestellt bleiben. Gemeint war das ἐγκώμιον Ἡρακλέους, das wir durch Diodor kennen, oder mehr Götterreden der Art. Seine Zeit habe ich bei Bethe qu. Diodor. myth. 87 zu tief angesetzt, weil ich Philodem nicht kannte, II 233, 234, wo sich ergiebt, dass Diogenes von Babylon ihn neben Isokrates als Typus des sophistischen Redners im Gegensatze zum politischen citirt hatte. Damals war er also hoch angesehen, und es ist bezeichnend, dass Diodor, der vom Classicismus nichts weiss, ihn noch ausschreibt; dem Schriftsteller π. ὕψους ist er schon ein Typus schwülstiger Rede wie Hegesias.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_013.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)