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und die betreffende Schrift des Dionysios verloren ist; aber es muss eigentlich den Ausgangspunkt gebildet haben. Wenn die barbarischen Elemente Asiens für die Verderbniss verantwortlich gemacht wurden, so musste ihr Einfluss sich in der Correctheit und Präzision des Ausdruckes fühlbar machen, in den Rhythmen höchstens mittelbar. So finden wir die asianische Sprache unzweifelhaft von dem bedeutendsten Feinde der Phryger, von Caecilius bekämpft, und unser vielleicht ältester Zeuge Santra redet auch von ihr. Als unter. Augustus die griechischen Rhetoren sich nach Rom zogen, so dass die Römer nicht mehr nöthig hatten, ihre Ausbildung in Asien zu suchen, haben sich natürlich nicht gleich alle der dort bereits herrschenden Mode unterworfen, und der eine Kraton ist als muthiger Bekennen des Asianismus zu rühmen, aber es liegt schon in dem Verstummen der Polemik, dass der Atticismus mindestens theoretisch rasch einen vollkommenen Sieg errungen hat. Mit der Polemik gegen sie verschwinden auch die Stilmuster des Asianismus. Wenn Rutilius Lupus in dem veralteten Musterbuche des Gorgias noch eine Menge Beispiele hellenistischer Zeit übersetzt hat, so beweist das nur seine Unbildung. Es kann Niemand bezweifeln, dass, von Hegesias und allen den von Cicero gerühmten Rhetoren zu schweigen, auch die Historiographie der hellenistischen Zeil, Timaios an der Spitze, aus den Händen des Publicums vollkommen verschwanden, ganz im Gegensatze zu dem Urtheile und der Praxis von Cicero und Varro. Nur aus stofflichem Interesse hat man sie noch gelesen, nicht mehr in weiten Kreisen. Selbst Plutarch, der doch Hieronymos, Aratos, Phylarchos und viele geringere für seine Biographien aufgesucht hat, rechnet sie nur als Vermittler der Thatsachen; einem Aristides liegen sie schon völlig fern. Man kann nicht bezweifeln, dass die Romane, Milesiaka, Assyriaka und wie sie hiessen, derselben Verachtung verfielen, lediglich der Form wegen, und diese sogar spurlos, da sie als Historie denn doch nicht genommen wurden. Oder vielmehr sie haben sich auch transformirt, schliesslich in die erotischen Romane, Briefe u. dgl., der Sophistik.[1] Die Unterballungslilteratur der breiten Masse ist ja immer modern, aber immer ephemer und niemals original.



  1. Seit der Entdeckung der älteren Romane, namentlich dem von Ninos kann das nicht bezweifelt werden. Die Entwickelung habe ich kurz gezeichnet Arist. und Ath. II 32. Wie der Roman in die Historiographie gehört, hat E. Schwartz besonders treffend ausgeführt.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_008.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)