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als ihm der Kaiser ein Talent schenken will, sagt, ἢ προσθες ἢ ἄφελε μὴ Ἀττικὸν ἦι, so muss sich das Attische in einer einzelnen Vocabel, nicht in der Composition gezeigt haben, wie an Münzen der χαρακτήρ, das κόμμα ἀρχαῖον oder καινόν.[1] Für unsere Empfindung ist der Gradunterschied des Absurden zwischen allen diesen Declamatoren gering.

Das Urtheil der Gebildeten jener Zeil giebt Strabon wieder. Er traut sich kein eigenes Urtheil in rhetorischer Technik zu, äussert aber den altstoischen Widerwillen gegen Redeschmuck selbst dem Poseidonios gegenüber (147), und über Hegesias sagt er ὃς ἦρξε μάλιστα τοῦ Ἀσιανοῦ λεγομένου ζήλου παραφθείρας τὸ καθεστὸς ἔθος τὸ Ἀττικόν. Er macht das noch boshafter, indem er Hegesias mit einem Musiker vergleicht, der ebenso die ehrbare Weise verlassen hätte, und diese Zusammenstellung wird ermöglicht durch die Versetzung des Hegesias von dem Magnesia am Sipylos nach dem am Maeander (648). Bekanntlich hat Strabon nichtsdestoweniger eine Phrase des Hegesias angewandt, um sich eine Beschreibung Athens zu sparen (396); er hatte sie doch wohl als Knabe in Amaseia auswendig gelernt.

Endlich tadelt noch Theon in den Progymnasmen (S. 71) die ἔμμετρος καὶ ἔνρυθμος λέξις des Hegesias und der Ἀσιανοὶ καλούμενοι ῥητορες, die aber auch bei Epikur vorkäme. Theon erwähnt als jüngste den Theodoros von Gadara und den Apion,[2]


  1. Craton venustissimus homo et professus Asianus, Seneca contr. X 5,21, seine Herkunft wird nicht angegeben. In den paar citirten Worten ist der Vulgarismus βαυνός; auch ἡλίου καίοντος ist nicht classisch. In einem losgerissenen Satze wie Προμηθεῦ, νῖν ἔδει σε πῦρ κλέψαι, wage ich auf den Rhythmen ⏑––|–⏑–⏑––– nicht zu insistiren.
  2. Der in den Ἀρίωνος ἔλεγχοι S. 93 stecken muss. Der Rhodier Apollonios (Molon) ist ihm ein halbverschollener τῶν πρεσβυτέρων S. 61. Er weiss von der Kritik der Lysiasreden durch Dionysios oder Caecilius S. 69. Für den Atticismus ist besonders bezeichnend, wie er seinen Knaben den Dual beibringt S. 101. Dass er nach Suidas als römischer Bürger Aelius hiess, braucht nicht auf hadrianische Zeit zu führen. Dionysios hat doch wohl schon von den Aelii Tuberones das Bürgerrecht auf seinen Nachkommen, den Atticisten, vererbt, und Aelius Gallus war praefectus Aeg. gewesen, so dass es Aelii in Alexandreia gegeben haben wird; das ist nach Suidas Theons Heimath. Das Buch bietet keinen Anhalt für den Ort seiner Entstehung. Der Stil zeigt auf jeder Seite den vollen Sieg des Atticismus, aber Genaueres kann ich ihm nicht entnehmen und würde sehr bedenklich sein, wenn Jemand aus ihm entscheiden wollte, ob 50 n. Chr. oder 150. Der Name ist zu gewöhnlich, als dass man auf diesen Theon die Citate Quintilians (3, 6, 48. 9, 3, 76) beziehen [7] könnte. An der letzteren Stelle heisst er Stoiker und vermittelt vielleicht ein Urtheil des Caecilius: unvereinbar ist auch das mit den Progymnasmen nicht.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_006.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)