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zwei Arten der asiatischen Beredtsamkeit, (genus Asiaticae dictionis), als er aber Hortensius, eine gefallene Grösse, sein Urtheil abgeben soll. Die eine jagt nach eleganten Pointen,, für sie ist Beleg ausser Menekles und Xenokles von Alabanda (die er schon de orat. II 93 hatte loben lassen) der Sikeliote Timaios; die andere Art, ausgezeichnet durch hastigen Redefluss und den Schmuck künstlich gebildeter Wörter (facta, d. i. πεποιημένα), lässt er in seiner Gegenwart regieren und nennt dafür als Muster Aischines von Knidos und Aischylos von Milet. Er verwirft diesen Stil nicht, aber man merkt, was an ihm fehlerhaft ist, wenn man den Bericht über seinen eigenen Studiengang kurz vorher vergleicht (315). Auch er hat jenen Aischylos gehört, daneben einen Menippos von Stratonikeia, also einen Karer, der aber als Attiker gelten soll, si nihil habere ineptiarum Atticorum est; dann lobt er die strenge Zucht des Rhodiers Molon, der ihm die jugendliche Ueberschwenglichkeit abgewöhnt hatte. Es ist also nur ein Uebermaass, was er tadelt, und er leugnet, dass alle Asiaten daran krankten. Heftiger Tadel kommt erst im Orator heraus (24), da haben Phrygien Karien Mysien ein opimum et quasi adipatae dictionis genus erfunden, von dem die Rhodier nie etwas haben wissen wollen, geschweige die Athener. Aber diese haben selbst verschiedene gleichberechtigte Arten ausgebildet, wie er gegen seine eigenen Gegner, die radicalen Atticisten, sofort hervorhebt. Er tadelt weiterhin die zu musicalischen Clauseln jener Phryger und Karer (57), und unterscheidet an den Asiatici maxime numero servientes (230. 231) drei Fehler, das Einfügen gleichmütiger Wörter um den Rhythmus zu füllen,[1] die von Hegesias hergeleitete Zerhackung der Rede in lauter versähnliche κόμματα,[2] und die Monotonie derselben


  1. Dies gilt hier nur einzelnen Flickwörtern; den Vorwurf erinnere ich mich nicht bei den Griechen gelesen zu haben, denn die feinen Anmerkungen über παραπληρωματικοὶ σύνδεσμοι bei Demetrios 55 zielen ganz wo anders hin. Analog ist vielmehr in der periodisirten Rede die Einfügung überflüssiger Glieder, die Dionysios Demosth. 19 in belehrender Weise an Isokrates rügt. Die im Bilde ähnliche Stelle π. ὕψους 10 (S. 23, 4 Vahlen) hat anderen Inhalt.
  2. Infringendis concidendisque numerii in quoddam genus abiectum incidunt 〈ver〉siculorum simillimum, heisst es von dem Fehler des Hegesias; weiter unten nec minutos numeros sequens concidat delumbetque sententias. [3] Da ist das letzte ganz klar: wenn man lauter κομμάτια ῥυθμικά bildet, so werden die Sätze zerhackt und haben keine κῶλα mehr. Danach versteht man das erste, ῥυθμοὶ κατακεκλασμένοι καὶ κατακεκομμένοι ergeben eine elende Composition, denn sie ist ganz ähnlich – wem? Das könnte eine Gattung Verse sein, freilich nicht Dithyramben, die nicht aus κόμματα bestehen, sondern etwa Kinaeden, zumal es sieh um den Ithyphallicus mit in erster Linie handelt; aber Hegesias hat nicht nur eine Sorte Clauseln. Also ist sein Fehler, dass er so kurze rhythmische Glieder baut, dass die ganze Rede aus Verstheilchen besteht; also hat Jahn mit der Ergänzung 〈ver〉siculorum Recht. Dasselbe ergiebt sich auch so: Cicero forderτ, man solle claudere numeris sententias (229), aber der numerus soll sein non modo non poetice vinctus, verum etiam fugiens illum eique omnium dissimillimos (227): schon der Anklang sollte zeigen, wem das genus abiectum simillimum sei. Es ist aber auch thatsächlich der Fehler, den Cicero rügt, dass die Rede ἔμμετροί, nicht ἔνρυθμος wird, wenn sie aus lauter κόμματα ῥυθμικά besteht. Selbstverständlich muss man wie in der philosophischen, so in der rhetorischen Terminologie bei den Lateinern retrovertiren, um scharf zu Verstehen. Ich habe diese Anmerkung schreiben müssen, weil Immisch Rhein. Mus. 48, 546 und Norden I 147 mir schlechthin Unbegreifliches darüber gesagt haben.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_002.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)