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einmal im Jahre in Deutschland etwa der Abt von Lokkum (in Hannover) anlegt? Luther würde nichts dagegen einzuwenden haben, da er launig erklärt, seinetwegen könne einer drei Gewänder über einander anziehen, wenn es ihm gefalle. – In fränkischen Landen hatten die Geistlichen wie es in Altwürttemberg noch heutigen Tages gilt, über dem schwarzen Talar das weiße Chorhemd, bis diese Lande dem sparsamen Preußen zufielen, das 1797 wegen der Wäscheunkosten die Alben kurzerhand abschaffte, nachdem Friedrich Wilhelm I. sie schon sechzig Jahre vorher in Berlin verboten hatte. Freilich ist Gewand und Aeußeres unserer Gottesdienste bescheiden und einfach, so daß man wohl darauf achten muß, die Einfachheit nicht zur Unwürdigkeit herabsinken zu lassen: Domum Domini decet decorari: „dem Gebäu Gottes gebühret Geschmuck“.

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 Aber der beste Schmuck bleiben unsere Lieder und die Uebung des Bibelwortes. So lange diese höchste Zier und Kleinodien erhalten bleiben, ist unser Gottesdienst rein und reich. Luther ist der Vater des deutschen Chorals, seines Textes und seiner Weise. Was aus dem Mittelalter und seinen Sequenzen, seinen Texten und Volksgesängen ihm im Herzen und Kopfe ruhte, hat er dankbar benützt. Aber die Originalität seines Liedes hat doch erst das deutsche Kirchenlied geboren, von dem jener Spanier urteilt, es habe die Reformation besser gefördert als viele Predigten es vermochten. Aus der Angst der Sünde und der Furcht des Todes, da hier und dort die Tiefen sich auftaten, auf Höhen der Gnade machtvoll hindurch gerettet hat Luther alles, was das Herz erschüttert, bewegt, erquickt, Höllentiefen und Himmelsfreuden, Feindesschrecken und Siegesfreude im Lied ausklingen lassen, das gebetet werden kann, erlebt werden muß, gesungen werden will, bis man sein nimmer vergessen kann. Der verlorene Sohn in der Fremde, als welcher der Deutsche so oft in fernen Landen sich zeigt, weiß kein Gebet, keinen Spruch, keinen Klang der Heimatskirche mehr, da trifft ihn die mächtige Melodie: „Ein feste Burg ist unser Gott“ – ja, die kennt er noch, vom Erbe ist noch etwas ihm geblieben. Ich habe vor Jahren in der Domkirche zu Upsala das Trinitatislied „Jesajas, dem Propheten, das geschah“ vom Stockholmer Kirchenchor mit Zinken und Posaunen und dann das „Verzage nicht du Häuflein klein“, das Schwedenlied von Lützen von ihm und der ganzen Festgemeinde singen hören. Das waren Klänge aus der Ewigkeit, fast zu gewaltig für die Zeit, aber wahr und treu genug, um sie vergessen