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Balbierer in seine Schranken, wenn er zu viel sich unterfängt. Den Bauern ist er ein treuer Anwalt wider Druck und Drang, sind doch „seine Ahnen rechtschaffene Bauern gewest“, und manch einer hat’s erfahren dürfen, Michael Kohlhaas voran, wie er sie vertrat und versprach. Wenn sie aber den Gehorsam wild verweigern und mit dem Schwert ein Recht erkämpfen wollen, steht er gegen die „räuberischen und mörderischen Rotten“ ernstlich auf. Er spricht gegen Wucher und Uebersatz, aber die mittelalterliche Theorie von Strafbarkeit des Zinsnehmens verwirft er. Ein geschworener Doktor heiliger Schrift und als solcher in Himmel und Hölle wohl bekannt, schämt er sich nicht, mit den Edelsteinen des kurfürstlichen Schatzes in der Hand die Goldschmiede zu befragen, um das Gewand des Hohenpriesters und die Edelsteine der Offenbarung recht deuten zu können. Und mit dem Täfelein, erzählt Aurogallus, geht er zu den Metzgern durch die Fleischbänke, daß sie ihm die alttestamentlichen Opferstücke wohl auslegen. Ihm erscheint es als gesündeste Sozialpolitik, wenn jedem Stand und Beruf – die Dreiständetheorie rührt kaum von ihm her, geht aber auf seine Anschauungen zurück – so viel Lebensunterlage und Bewegungsfreiheit gegönnt wird, daß er seine Eigenart zu gunsten des gemeinen Wesens entfalten kann. Die Einzelpersönlichkeit soll nicht in der Masse untergehen, diese wiederum nicht bloß in Einzelne auseinanderfallen, sondern der Einzelne für die Gemeinschaft sich ertüchtigen und diese ihn tragen, fördern und halten. So betont er Rechte, so schärft er Pflichten, greift jedem ins Gewissen, heißt den Fürsten, den ersten Diener des Staates und den ärmsten Knecht in Gott fürstlicher Art sein, so heiligt er das Irdische durchs Himmlische, vergeistigt und verflüchtigt nicht jenes, noch materialisiert und vergröbert er dieses.

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 Der Mann, der dem päpstlichen Legaten guter Treue versichern konnte, er würde den Papst (Paul III.), wenn er nach Wittenberg käme, mit aller Ehrerbietung empfangen und ihm Gehorsam versprechen, wenn er nur das Evangelium wollte predigen lassen, in alten weltlichen Dingen, wie es Melanchthon in seinem Traktate 1537 weiter ausführt, hat uns das goldene Wort hinterlassen (an Brenz): „Man lasse Gott und den Kaiser einen jeglichen sein Reich behalten!“ Fromme Christen treue Untertanen, Himmelsbürger wahre Vaterlandsfreunde, Heimweh und Treue der Erdenarbeit und über allem – „Was uns nicht geboten ist, das soll uns nicht irren!“ „Was man nicht schlichten kann ohne