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mit 100 bis 130 Prozent Kommunikanten freundlich die Statistiken zieren und den Ruhm der Korrektheit unangetastet erhalten, viel Unsittlichkeit, Jahrhunderte währende Bauernfeindschaften sich finden. Wir wissen auch vom Kirchenschlafe zu reden und möchten manchmal die alte Einrichtung aus Arnstadt wieder aufleben lassen, wo unter den niederen Kirchenämtern ein „Wecker“ seines Berufes waltete. Es ist uns Sorge, ob die herrliche Liturgie mit ihrem Konfiteor und der Absolution, am vierten Advent, am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag dreimal nach einander gebraucht, nicht mechanisch wirkt und abstumpft. Wir können nicht der Vermehrung der Liturgie das Wort reden. Aber wir wollen nicht das Altbewährte um seiner Gefahren willen, die nicht in ihm, sondern in uns liegen, aufgeben und hingeben, sondern uns heiligen, damit wir es heilig halten, wollen bei der Gewohnheit bleiben, die nicht gewöhnlich werden, sondern täglich neu erlebt sein soll.

 Aber prüfen mögen wir gerne, ob denn unsere kirchliche Gewöhnung auch wert ist, gehalten zu werden. Wir müssen ihren Grund prüfen. Dieser ist Luthers Tat in Gottes Kraft und nach Gottes Geheiß. Darum bleiben wir zum andern bei unserer Kirche um Luthers willen.


3.

 Es hat nie ein Mensch so geredet wie dieser Mensch, der Mose und den Propheten Hütten unter uns baute und die herrlichste doch Jesu allein. Er hat den Mund der heiligen Männer Gottes in unserer Zunge die großen Taten Gottes preisen lassen und zu uns gesprochen wie ein Vater, der sich seiner Kinder erbarmt. Vom uralten Adel rechter Bauernschaft hat er mit seinem Volke herzliches Mitleid gehabt, es durchschaut und verstanden, wie keiner vor ihm. Spener rühmt einmal an ihm die ‚fides heroica‘, den heldenmütigen Glauben, mit dem er zu den Armen im Beichtstuhle sich neigte und die Nöte und Sorgen aller Welt zu den seinen machte. Was hat er seinem deutschen Volke gegeben! Den Kindern den Kleinen Katechismus, das Volksbuch ohnegleichen, voll Poesie und Kinderfreude, voll Stärke und Manneskraft. Alle seine Vorzüge im Wohllaut der Sprache, in der Herrlichkeit seiner schlichten Worte, in dem Großgange seiner Gedanken werden von dem einen übertroffen, den er sonst keinem Lehrbuche gönnt: man kann ihn beten. Der Dank Sterbender hat die Auslegung des zweiten Artikels und der siebenten Bitte wie labenden

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Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/7&oldid=- (Version vom 10.9.2016)