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nur an sich sterben und wird alles zerstören, was sich ihr überließ.

 Die Verachtung der kirchlichen Ordnung ist doch nicht sowohl ein vollberechtigter Akt christlicher Freiheit als Verherrlichung einer andern Art von Gebundenheit, die man darum frei nennt, weil man sie sich selbst erwählte. Soll dieses Aufjauchzen und Aufstöhnen, Händeaufheben und Niederfallen wirklich ein Lebenszeichen sein? Kann man sich nicht in dergleichen hineinsteigern und in der Bewegung Ersatz für die Sache suchen?


7.

 Unsere Kirche will ihre Ordnung bewahren, bis Er sie zerbricht. So auch in der Gemeindebildung. Das Wort gründet und erhält die Gemeinde, weil es allein die gründenden und pflegenden Kräfte besitzt und mit dem ewigen Lebensgut in Verbindung bringt. Das von Gott Ausgegangene strebt und trägt zu Gott zurück. Und dieses Wort verbündet sich, in rechter Würdigung von Natur und Gnade, mit den äußern Elementen zur Heiligung und Verklärung alles Natürlichen. Den Vorgängen der Pflanzung und der Ausreifung entsprechend hat der Herr, zur ganzen Natürlichkeit sich rückverklärend, Taufe und Nachtmahl eingestiftet, denen unsere Kirche gläubig traut, im gehorsamen Verzicht auf Begreifen wie auf Schauen ganz dem Christuswort zugetan. Aber eben, weil sie das lebensvolle Wort erfahren hat als ein kräftiges, hilfreiches und wirkungsvolles, kann sie dessen Ehe mit der Naturgabe nicht mindere Kräfte zutrauen.

 Wir beklagen, daß in ernsten Kreisen die Taufe so unterschätzt wird, als sei sie ein frommer Brauch, der aber nimmer geben könne, was man von ihm erhofft oder ihm zumutet. Was unsern Luther in der Stunde der Anfechtung getröstet hat und uns aus den Liedern der Kirche tröstlich zuströmt, soll Täuschung sein! Die Gewißheit der Gnade sei Traum und die Berufung auf empfangene Gaben Täuschung. „Die Taufe an sich gibt kein neues, wirksames Leben aus Gott!“ „Sie bringt höchstens mit der sichtbaren Kirche in Verbindung.“ Die „Wasserwiedergeburt“ wird verächtlich gemacht, Wiedergeburt und Bekehrung einfach gleichgesetzt. „Die Taufe ist die Aufnahme in den Vorhof der allgemeinen Christenheit.“ So der in Gemeinschaftskreisen hochgefeierte Jellinghaus in seiner schon dem Titel nach bedeutungsvollen Schrift: „Das völlige, gegenwärtige Heil in Christo“.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/17&oldid=- (Version vom 10.9.2016)