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war, des Heiligen von Gott und für Gott, ist zu gewaltig, als daß man ungestraft sie umdeuten und umschreiben dürfte. Und soll die Einheit der Landeskirche, ja diese selbst gefährdet sein, höher als die Einheit und Ruhe steht Wahrheit und Treue. Unsre Väter haben nicht umsonst gesagt, sie wollten lieber das Ärgernis der Spaltung und Trennung tragen und veranlassen als die Wahrheit verletzen. Wir sprechen denen nicht die gute Meinung ab, welche das Schriftzeugnis bemängeln, die Wundertätigkeit Jesu Christi bemißtrauen, seine Göttlichkeit in ihrer Einzigartigkeit beanstanden, aber wir können in solchen Aufstellungen, wie sie seit vielen Jahrhunderten immer wieder auftauchen, wie sie etwa vor 80 Jahren der Gunzenhäuser Dekan Stephani, dem ja Ansbach eine Gedächtnistafel gewidmet hat, in seinem wundersamen Katechismus dargelegt hat, einen religiösen Fortschritt nicht anerkennen, sondern nur einen Rückschritt beklagen. Wenn unsere Gebildeten sich den Anschauungen anschließen, deren letzter Schluß in der Johannisfrage sich zusammendrängt: Bist du, der da kommen soll oder sollen wir eines anderen warten?, so mögen wir dafür danken, daß die Frage um Christi Person und Werk wieder die Herzen bewegt und uns freuen, daß viele mit dem Geheimnis in Jesu wieder ringen. Aber wir dürfen nicht von dem alten Evangelium weichen, weil wir sonst aufhören, Christen in dem Sinne zu sein, in dem es die Kirche aller Zeiten verstand und die Apostel sein wollten und waren. „Dr. Martin Luthers kleiner Katechismus nach der reinen Lehre des Evangeliums für unsere Zeiten umgearbeitet“ heißt das bei Palm in Erlangen 1830 erschienene Büchlein Stephani’s, in dem der Schüler fragt und der Lehrer antwortet. In diesem Katechismus, der von Luther nur noch den Namen hat, lautet der 2. Glaubensartikel: „Ich glaube, daß Gott uns Menschen den größten Beweis von seiner Vaterliebe dadurch gegeben hat, daß er seinen eingeborenen Sohn Jesus von der Jungfrau Maria hat geboren werden lassen und ihm den Auftrag erteilte, einen neuen alle Völker der Erde umfassenden Bund oder Verein zwischen Gott und den Menschen zu stiften, christliche Kirche genannt, der den Zweck hat, uns alle immer mehr zu erleuchten, zu heiligen und zu beseligen“. Es wird die ganze Lebensarbeit des Herrn auf ein geringstes

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Hermann von Bezzel: Pflichten in ernster Zeit. Carl Junges Buchhandlung, Ansbach 1914, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflichten_in_ernster_Zeit.pdf/9&oldid=- (Version vom 8.8.2016)