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gelassen war, und in ihr predigte Jakob Fabrizius über Ps. 12, 6: Weil denn die Elenden verstört werden, will ich auf. Der 126. Psalm ward der Text zur Friedenspredigt, die Balthasar Schuppius im Oktober 1648 hielt. Der gleiche Psalm steht auch über der Anstaltskirche zu Bethel in Bielefeld, wie über der Blödenanstalt in Neuendettelsau: den Blödens ist Er hold. Der dritte und der fünfte Vers (die mit Tränen säen – und der Herr hat Großes an uns getan) stehen, rot angestrichen, in der Handbibel Kaiser Friedrichs III., des königlichen Dulders. Die letzte Predigt des gottseligen Johann Arndt († 1621) ward über den dritten Vers gehalten. Welche Geschichte redet aus dem einen Psalm an uns! Die größte Geschichte aber hat der Psalter doch im Leben dessen, der ihn (Luk. 24, 44) den Jüngern öffnete. „Der Herr Jesus selbst hat mit seinen Jüngern den Lobgesang, der aus etlichen Psalmen besteht, gesprochen, am Ölberg hat er mit seiner Bangigkeit mit einerlei Worten dreimal gebetet, und am Kreuze hat er etliche Reden mit eben den Worten, wie sie in den Psalmen stehen, wiederholt. Sofern könnte man den Psalter des Messias Gebetbuch nennen“, sagt Albrecht Bengel. Gottes Wort – welche Größe in der Einfalt, welche Schönheit in der Schlichtheit, welche Fülle in dem kleinsten und geringsten Gefäß! Wie sollte dieses Gotteswort unsre Treue mehr empfinden und genießen! Man nehme doch jeden Tag ein Gotteswort auf den Weg, betrachte, lerne, übe es, mache Ernst mit seiner Verwirklichung, sei bedacht, es zu erleben. Dann wird der Zweifel schwinden und die Freudigkeit wird das Herz beherrschen. Vieles wissen macht unruhig und unstät, aber das Eine, was not ist, festhalten, das gibt starken Willen. Diese Treue gegen Gotteswort müssen unsre Eltern recht üben, denn „christliche Erziehung beginnt an den Wiegen“. Wohl dem Kinde, das die Mutter in Gottes Wort einführt und gesegnet die Hausfrau, die an ihrem Kinde also einen Himmelserben erzieht. Nicht darauf kommt es an, daß man mit allerlei Wü[r]ze und Zutat das Gotteswort und die heilige Geschichte dem Kinde schmackhaft macht. Die moderne Erzählungskunst streift von den Gottesblumen, die eine barmherzige Hand in den weiten Garten der Christenheit gepflanzt hat, Duft und Blüte ab, läßt die heiligen Männer Gottes reden, als wären

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Hermann von Bezzel: Pflichten in ernster Zeit. Carl Junges Buchhandlung, Ansbach 1914, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflichten_in_ernster_Zeit.pdf/6&oldid=- (Version vom 8.8.2016)