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Wort und wer es oberflächlich ansieht, dem verbirgt die arme Gestalt und das mühselige Gewand den kostbaren Inhalt. Er entdeckt allerlei Risse und Mängel, Schäden und Schatten, dort einen Widerspruch, hier eine Unglaublichkeit. Und die den größten Widersinn, wenn er gegen die Heil. Schrift geht, bereitwillig glauben, eisern gegen das heilige Wort, als sei es nicht verlässig. Wer aber an das Wort mit dem Gebet geht: Rede, Herr, dein Knecht hört, tue mir kund, was du meinst und wie du es meinst, öffne mir die Augen, daß ich sehe die Wunder an deinem Gesetz, dem bringt das Wort eine reiche Geschichte aller derer nahe, die ihm getraut und ihre Anliegen ihm gestanden, ihren einigen Trost von ihm geholt haben. Wie in den alten Kirchenbüchern Blatt an Blatt sich reiht, darauf die ehrenfesten Pfarrherren vergangener Zeiten die Geschicke ihrer Gemeinde an Gottes Wort erläutert haben, wie in den ehrwürdigen Hausbibeln, etwa in der Kurfürstenbibel, oder in Arndts Paradiesgärtlein Hochzeits- und Leichentext in schweigender Folge aneinander sich reihen, der eine Text zur Bestätigung des andern, so hat jedes Gotteswort seine Geschichte. Der Wahlspruch des großen frommen Feldmarschalls Albrecht von Roon und der des sel. Pfarrers Löhe war derselbige: Ps. 25, 21. – Ich greife das herrliche Lied Gottfried Arnolds heraus: So führst du doch recht selig, Herr, die Deinen (Nr. 262). Das ruht auf dem 4. Psalm. Albert Knapp hat es das tiefsinnigste, erfahrungsreichste, gedankenreichste Kirchenlied voll majestätischer Weisheit genannt und der große Weltweise Schelling, der Lehrer unseres unvergessenen Königs Max II. hat es zu seinem Lieblingslied erwählt. Wenn man den 8. Psalm ansieht, so mag man wohl daran denken, wie Luther seinen verzagten Freund tröstete: Sei gutes Mutes, Philipp, die Kinder beten für uns. Und Hans Egede, der Apostel der Grönländer († 1758) wurde in schweren Anfechtungen von diesem Worte erquickt. Die betenden Kinder in Schlesien, jetzt vor zweihundert Jahren, beteten um die ihren Eltern geraubten Kirchen. 121 Kirchen haben sie im Frieden zu Altranstädt 1707 zurückerobert. – Am Samstag vor Misericordias 24. April 1632, zog Gustav Adolf von Lechhausen in die Stadt Augsburg ein zur St. Annakirche, die allein von den sieben Stadtkirchen unsren Vätern

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Hermann von Bezzel: Pflichten in ernster Zeit. Carl Junges Buchhandlung, Ansbach 1914, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflichten_in_ernster_Zeit.pdf/5&oldid=- (Version vom 8.8.2016)