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entziehen, sondern in und an ihr tun, was recht ist. Neue Mittel gibt es nicht und braucht es nicht: es heilt weder Kraut noch Pflaster, sondern das Allheilmittel des göttlichen Wortes, das denen, welche es aufnehmen, Gewalt gibt, Gottes Kinder zu werden. Neue Offenbarungen brauchen wir nicht. In Ihm, in welchem Gott am letzten zu uns geredet hat, wohnt alle Fülle der Gaben für die Not und der Kräfte gegen das Leid der Zeit. Möge darum die Treue in uns allen aufwachen und wach bleiben, indem jeder in seinem Stand und Beruf ganz vor sich hinsieht und des Seinen treulich wartet. Die soziale Frage wird nicht in die Weite gelöst, sondern indem man seinen Stand nach den zehn Geboten ansieht und anhält und tut, was zu tun man schuldig ist. Wo die Eltern ihrer Erzieherpflicht in Gebot und Vorbild ernstlich warten, Dienstherren und Dienstfrauen in ihren Dienstleuten Miterben der Seligkeit ehren und achten, Vorgesetzte und Untergebene dem Pflichtgebot gleicherweise sich unterordnen, Geistliche als Haushalter über Gottes Geheimnisse den Glaubensschatz und das Kirchengut mit heiligem Ernste bewachen und behüten, da wird die kranke, todwunde Zeit mit Heilkräften angetan.

 Der Gott aller Treue wird die Verheißung einlösen, welche er der Beständigkeit gegeben hat und diejenigen, die das Wort der Geduld behalten (Offenb. 3, 10), in der Sichtungszeit gnädig bewahren, Er wird die Getreuen im Lande das Glück Jerusalems sehen lassen.

 Von ganzem Herzen erbitte ich den evangelischen Gemeinden in hiesiger Stadt und Umgegend die hohe Gabe der Beharrlichkeit, deren Früchte sie jetzt noch ernten. Die Passionszeit, in der wir stehen, rühmt einen treuen, starken, ernsten Gehorsam bis zum Tode, ja zum Tod am Kreuze. In der herrlichen Schwanenordenkapelle, diesem wenig gekannten Kleinod hiesiger Stadt leuchtet das herrliche Bild aus Scheuffelins (?) Schule: Jesus der Keltertreter, über dessen Gehorsam der Vater das selige Darum der endlichen und ewigen Erhöhung geredet und geschenkt hat. Die Passion der Kirche wird auch in eine österliche Herrlichkeit ausmünden, die denen zu erleben und mit Lobsagung zu begehen vergönnt werden wird, welche der armen Kreuzesgestalt seiner Kirche sich nicht schämten und an ihr teil zu haben sich nicht weigerten.




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Hermann von Bezzel: Pflichten in ernster Zeit. Carl Junges Buchhandlung, Ansbach 1914, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflichten_in_ernster_Zeit.pdf/16&oldid=- (Version vom 8.8.2016)